Facebook-Skandal „Gefällt mir“ war gestern

Washington · Seit dem Daten-Skandal bei Facebook steht der Überflieger-Chef Mark Zuckerberg unter Druck. Nicht nur die Politik fordert Konsequenzen. Sondern auch die eigene Branche.

 Lange war er der gefeierte Held: Mark Zuckerberg, Facebook-Chef und Missionar einer freien, vernetzten Welt. Seit dem Daten-Missbrauch von Millionen Nutzern steht er in Misskredit.

Lange war er der gefeierte Held: Mark Zuckerberg, Facebook-Chef und Missionar einer freien, vernetzten Welt. Seit dem Daten-Missbrauch von Millionen Nutzern steht er in Misskredit.

Foto: dpa/Marcio Jose Sanchez

Mark Zuckerberg wird nächste Woche im Parlament in Washington Rede und Antwort stehen, zunächst vor dem Energie- und Handelsausschuss des Repräsentantenhauses. Gestern teilte sein Unternehmen Facebook mit, dass die Daten von bis zu 87 Millionen Nutzern mit der britischen Firma Cambridge Analytics geteilt worden seien. Bisher war von rund 50 Millionen betroffenen Nutzern ausgegangen worden. Das erhöht den politischen Druck. Demokraten wie Republikaner haben den 33-Jährigen aufgefordert, zu Anhörungen im Kongress zu erscheinen. Auch vor einem Komitee des Senats soll er aussagen, Termin noch offen. Was ihn an Fragen erwartet, hat der Senator Ron Wyden in einem offenen Brief an den Konzernchef bereits angedeutet.

Ob Facebook irgendetwas getan habe, um jene Millionen Nutzer zu identifizieren und sie zu informieren, will der Politiker wissen. Und ob es im Laufe der vergangenen Dekade ähnliche Fälle gegeben habe. Falls ja, möge Zuckerberg sie lückenlos auflisten und erklären, was er gegen Regelverstöße unternommen habe.

Dass der Druck steigt, lässt sich auch daran erkennen, dass sich Pioniere der sozialen Netzwerke nicht länger scheuen, den Finger in die Wunde zu legen. Chris Hughes, der sich in Harvard eine Studentenwohnung mit Zuckerberg teilte und mit an der Wiege von Facebook stand, spricht von einem echten Wendepunkt. Der Skandal um Cambridge Analytica, sagte Hughes im Radio, sei nur die Spitze des Eisbergs. Wenn ausländische Mächte Wahlen manipulierten, wenn digitale Nachrichtenströme so organisiert würden, dass man die schrillsten Stimmen belohne, habe Facebook versagt. Es sei höchste Zeit, die Defizite ehrlich zu benennen.

Brian Acton, Mitgründer des von Zuckerberg übernommenen Dienstes WhatsApp, unterstützt gar eine Kampagne, die unter #deletefacebook dazu aufruft, das eigene Konto bei dem Netzwerk zu löschen. Elon Musk, der sich seit Längerem mit dem Milliardärskollegen aus dem Silicon Valley befehdet, hat genau das für seine Firmen Tesla und SpaceX getan. Tim Cook, Steve Jobs‘ Nachfolger an der Spitze von Apple, charakterisiert das Recht auf Privatsphäre als fundamentales Menschenrecht. „Ich habe keine eigenen Kinder, aber einen Neffen. Ich will nicht, dass er soziale Netzwerke nutzt.“ Die Lage sei so ernst, dass sie womöglich eine gut durchdachte Regulierung diktiere. Es sind Töne, wie man sie vorher nur selten hörte aus den Hightech-Hochburgen der amerikanischen Westküste.

Nicht nur Cook drängt auf mehr Transparenz bei den Anzeigen, damit Nutzer erkennen, wer diese Annoncen bezahlt und an welche Zielgruppen sie sich richten. Facebook will das bis zu den US-Kongresswahlen im Herbst erledigt haben. Und um der Kritik die Spitze zu nehmen, übt sich Zuckerberg in demonstrativer Bescheidenheit. Von der Aura des Überfliegers, der sogar als Präsidentschaftskandidat für 2020 gehandelt wurde, ist im Augenblick nicht mehr viel zu spüren.

Zum einen hat er sich für den Skandal entschuldigt, zum anderen versprochen, Apps von Dritten genauer unter die Lupe zu nehmen. Zudem will er es der Facebook-Gemeinde erleichtern, ihre Datenschutzeinstellungen zu verwalten. Und: Zweifellos stehe Facebook in der Verantwortung, wenn es zu verhindern gelte, dass Nutzer „üble Dinge tun, wenn sie sich gegenseitig beschimpfen“, sagte er in einem Interview. Er denke an eine Art Oberstes Gericht für soziale Medien. Sein Drei-Säulen-Geschäftsmodell aber gedenkt er nicht ernsthaft auf den Prüfstand zu stellen. Erstens, so formuliert es Hughes, sollen die Leute so oft es geht zu ihren Smartphones greifen und sich bei Facebook einloggen. Zweitens hilft intensive Nutzung, Daten über ihr Verhalten zu sammeln. Drittens sollen Werbekunden Milliarden ausgeben, um sie mit gezielter Reklame zu erreichen. Es gibt Anzeichen dafür, dass das Modell nicht für immer trägt. Seit Juni 2017 stagniert die Zahl der amerikanischen Facebook-Nutzer. In diesem Jahr, prophezeien Experten, dürfte der Anteil des Unternehmens am digitalen Werbeaufkommen zum ersten Mal zurückgehen.

Hughes rät Zuckerberg denn auch zum Kurswechsel, zumal aus seiner Sicht beim bisherigen „Kostenlos-Ansatz“ die Nachteile überwiegen. „Ich weiß nicht, wie viele wirklich begreifen, dass ihre Verweildauer in ein Paket gepackt und an die Werbebranche verkauft wird.“ Er würde lieber ein paar Dollar im Monat bezahlen, um einen anderen Ansatz zu wählen, sagt er. Dass Zuckerberg bereit ist, auf den Rat seines Ex-Kommilitonen zu hören, lässt er bislang nicht erkennen.

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