Gauck predigt gegen Links-Bündnis

Berlin · Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich der Bundespräsident äußert, wenn es um Koalitionen in einem Landtag geht. Joachim Gauck tut es. Es behagt ihm nicht, dass in Thüringen eine Zäsur anstehen könnte.

Dies ist kein gewöhnlicher Ort, schon gar nicht für jemanden wie Joachim Gauck . Der Bundespräsident sitzt auf einem Holzstuhl, hinter ihm der Altar der Berliner Gethsemanekirche. Sie war ein Zentrum der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989. Anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerfalls am 9. November ist Gauck für die Aufzeichnung eines ARD-Interviews in das Gotteshaus gekommen. Er erinnert an das Glück der Freiheit, an die Staatssicherheit. Und kommt dann auf eine aktuelle Frage zu sprechen: Dass die Linkspartei, die Nachfolgerin der SED, bald einen Ministerpräsidenten im vereinten Deutschland stellen könnte, widerstrebt dem Staatsoberhaupt. "Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren", sagt der Ostdeutsche Gauck. "Aber wir sind in einer Demokratie, wir respektieren die Wahlentscheidungen."

Die haben in Thüringen dazu geführt, dass Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow - ein Westdeutscher - in der neuen Woche wohl Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen starten wird. Aber nicht wie schon anderswo für eine Landesregierung mit einem SPD-Ministerpräsidenten, sondern unter seiner Führung. Weswegen Gauck dann doch fragt: "Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?" Die politische, aber auch persönlich-emotionale Antwort des Präsidenten darauf lautet: Es gebe da "Teile" in der Linken, "wo ich Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln".

Dass Gauck mit der Linkspartei und deren Umgang mit der Vergangenheit hadert, ist nicht neu. Schon bevor er ins höchste Staatsamt kam, zum Beispiel 2009, empörte er sich über eine "politische Nostalgie, weil sie die harten Tatsachen der Diktatur ständig ausblendet". Dabei spielen Überzeugungen und der Lebensweg des einstigen Rostocker Pfarrers zusammen, der zu DDR-Zeiten Teil der Bürgerbewegung war und dann nach der Wende erster Beauftragter für die Stasi-Unterlagen.

In der Spitze der Linkspartei löst Gaucks aktuelle Bemerkung prompt Ärger aus. "So etwas gehört sich für einen Präsidenten nicht", schimpft die Vorsitzende Katja Kipping . Ohnehin ist Gauck in weiten Teilen der Linken eben wegen seiner grundsätzlichen Kritik nicht gut gelitten. Noch vor seiner Wahl zum Staatsoberhaupt hielten ihm Linke-Vertreter seine offene Haltung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr oder den Hartz-IV-Reformen vor.

Mit seiner Wortmeldung befeuert Gauck wieder die Debatte, wann und wie sich ein erklärtermaßen politischer - aber überparteilicher - Präsident einmischen soll oder besser nicht. Auf ein geteiltes Echo waren schon seine Reden für eine größere Verantwortung Deutschlands in der Welt und klare Worte an Russland im Ukraine-Konflikt gestoßen. Zur Zurückhaltung mahnen nun auch Vertreter der SPD , die Gauck einst als Präsidentschaftskandidaten präsentierte.

Widersprüchliche Signale kamen vom dritten Koalitionspartner in Thüringen , den Grünen. Während die Bundesvorsitzende Simone Peter in der "Welt" Gauck zu parteipolitischer Neutralität mahnte, sagte Peters Amtskollege Cem Özdemir der "Leipziger Volkszeitung", mit Parteipolitik hätten die Äußerungen nichts zu tun. Der Bundespräsident habe nur "das gesagt, was viele denken, die das Unrecht, das in der DDR vorherrschte, zum Teil am eigenen Leib erfahren haben. Das sollte man ernst nehmen".

Der, über den Gauck nun spricht, reagiert gelassen. Als Christ sei er seltsam irritiert, dass ein Pastor wie Gauck solche Aussagen über einen anderen Christen vor einem Altar mache, sagt der Thüringer Ramelow. "Das ist meine Sicht auf den Mitbruder Gauck, nicht auf den Bundespräsidenten."

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HintergrundBundespräsident Joachim Gauck hat mit mehreren Äußerungen Diskussionen ausgelöst. Eine Auswahl von Zitaten: Krieg und Frieden: "Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen." (12. Juni 2012 zu Auslandseinsätzen)"In diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen." (14.6.2014 im Deutschlandfunk )Rechtsradikale: "Dass in der Mitte unseres Volkes ausgerechnet rechtsradikale Überzeugungen wieder Gehör finden - das finde ich so eklig. (. . .) Wir brauchen da Bürger, die auf die Straße gehen, die den Spinnern ihre Grenzen aufweisen und die sagen: bis hierher und nicht weiter!" (29. August 2013 vor Schülern)DDR : "Die DDR war ein Unrechtsstaat, es gab keine unabhängige Gerichtsbarkeit, schon gar nicht ein Verfassungsgericht. (. . .) Dafür existierte Willkür, die das Land beherrschte." (9. Oktober 2014) dpa

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