Noch-Außenminister im Abseits Gabriel tun seine harschen Worte über Schulz nun offenbar leid

Berlin · Die harte Kritik an der SPD-Spitze könnte den Außenminister endgültig sein Amt gekostet haben. Derweil soll Nahles für die Erneuerung der Partei stehen.

Die Reue von Sigmar Gabriel kommt womöglich zu spät. Seine harsche Kritik an der Parteiführung könnte ihn endgültig sein Außenministeramt gekostet haben. Sogar seine kleine Tochter führte er gegen den scheidenden SPD-Chef Martin Schulz ins Feld, zitierte sie mit den Worten: „Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“

Gestern nun berichtete der Berliner „Tagesspiegel“ unter Berufung auf Vertraute des früheren SPD-Vorsitzenden, Gabriel bedauere es, seine Tochter überhaupt erwähnt zu haben. Der Chefdiplomat habe sich an einem Scherz versuchen wollen. Es sei in seiner Umgebung kein Geheimnis, dass ihm dies leid tue. Gabriel habe sich aber sehr über die SPD-Führung geärgert: Wer der Partei so lange gedient habe, den könne es nicht kalt lassen, wenn er seinen Rausschmiss über die Medien erfahre und kein Wort des Dankes zu hören bekomme.

Gabriel war nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen hart mit der SPD-Spitze ins Gericht gegangen, weil Schulz das Amt des Außenministers für sich reklamierte. Der SPD-Politiker beklagte in einer Erklärung gegenüber den Funke-Zeitungen Respektlosigkeit.

Gabriels Tiefschlag sorgte auch innerhalb der SPD für Kopfschütteln. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte solche Äußerungen scharf. „Jedem in der SPD muss klar sein, dass die Zeit der öffentlichen Personaldebatten jetzt vorbei ist“, sagte Klingbeil den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Wer zu unfairen Mitteln greift, nimmt sich damit selbst vom Platz.“

Ob Gabriel nach seiner harschen Kritik noch Außenminister bleiben kann, ist unklar. Sein Verhältnis zur wahrscheinlichen neuen Parteichefin Andrea Nahles gilt zudem als schwierig. Der frühere Spitzendiplomat Michael Steiner, einst außenpolitischer Berater unter Kanzler Gerhard Schröder und Ex-Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Afghanistan, sprach Gabriel in der „Bild“-Zeitung die Eignung ab: „Ein Staatsamt fordert ein Mindestmaß an Anstand.“

Immerhin: Alle seine Freunde innerhalb seiner Partei scheint der Ex-Vorsitzende noch nicht verloren zu haben. So sprach sich der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernd Westphal, dafür aus, Gabriel bei der Vergabe von Kabinettsposten zu berücksichtigen. Gabriel habe „als Außenminister hervorragende Arbeit geleistet“, sagte Westphal dem „Handelsblatt“. Die künftige Bundesregierung könne von Gabriels Regierungserfahrung und von seiner Kompetenz nur profitieren.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil richtet den Blick derweil nach vorne. Seine Partei durchlebe „sehr turbulente Tage“, räumte er gestern in einer Diskussionsrunde auf dem Onlinenetzwerk Facebook ein. Nun wolle die SPD aber mit Blick auf das Mitgliedervotum die inhaltlichen Fragen des mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrags diskutieren und den Erneuerungsprozess der Partei anstoßen.

Dafür soll nun Nahles stehen. Sie dürfte die erste Frau an der Spitze der altehrwürdigen SPD werden. Heute Nachmittag beraten Präsidium und Vorstand der Partei, ob sie wegen der Turbulenzen sofort den Vorsitz von ihrem gescheiterten Vorgänger Schulz übernimmt. Zunächst kommissarisch. Ein Parteitag müsste Nahles innerhalb von drei Monaten noch formal wählen. Einige Genossen, auch aus der Spitzenriege, wollen die Vorentscheidung aber schon jetzt. Nahles wird durchaus zugetraut, dass sie die Basis zu einem Ja zum Koalitionsvertrag bewegen kann.

Sie war es, die am 21. Januar mit einer wuchtigen Rede beim Parteitag in Bonn die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU/CSU rettete. Sie verwarf ihr Manuskript und setzte auf Emotion. „Die zeigen uns nen Vogel“, brüllte sie mit Blick auf die Wähler, wenn man trotz der Sondierungsergebnisse mit viel SPD-Rot nicht verhandele.

Die 47-Jährige ist jetzt so was wie die Trümmerfrau der SPD. Sie muss die Partei modernisieren, verjüngen, die dramatische strukturelle Schwäche in Ost- und Süddeutschland angehen, eine Zukunftsidee entwickeln, die SPD wieder näher an die Leute heranrücken. Ob auch Gabriel seinen Teil dazu beitragen kann, bleibt abzuwarten.

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