Porträt der Woche Furchtlos unter Mördern

Saarbrücken · Rotlicht-Größen, Drogendealer und Brutalos: Willkommen in der Welt des Saarbrücker Anwalts Walter Teusch.

 Egal, mit wem er es vor Gericht zu tun hat: Fairness ist für den Saarbrücker Strafverteidiger Walter Teusch das höchste Gebot. Foto: Rich Serra

Egal, mit wem er es vor Gericht zu tun hat: Fairness ist für den Saarbrücker Strafverteidiger Walter Teusch das höchste Gebot. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Es gibt Gangster, die ihre Anwälte reich machen. Diese Weiße-Westen-Kriminalität spielt in Banken, Versicherungen und Parteizentralen, die Schwarze-Westen-Kriminalität wiederum dort, wo es weder Glamour noch Knete zu holen gibt und wo Pflichtverteidiger ihren Job machen: unter Schlägern, Dealern, Einbrechern, Zuhältern. Just das ist Teuschs "Milljöh" - und er fühlt sich dort genau am richtigen Platz. Weil ihn Abgründe interessieren? Ihn, den Chefarztsohn aus bestem Völklinger Haus, der sich in seiner Alt-Saarbrücker Eigentums-Etage gerne ans Klavier setzt? Ihn, den früheren, glücklosen FDP-Landesvorsitzenden (1994-1998), der in gehobenen bürgerlichen Kreisen verkehrt? Nein, sagt Teusch, er kenne das nicht, "Sympathy for the devil", die Faszination durch das Böse. Doch intensive Motivforschung in Sachen Berufswahl hat er nie betrieben. Denn schließlich, sagt Teusch, sei der Beruf des Strafverteidigers schlichtweg eins: spannend. "Wir treffen echte Typen, es sind immer besondere Charaktere und Schicksale. Die wenigsten sind Berufsverbrecher."

Aber Proleten, Brutalos, Asoziale, … und Kinderschänder. Jedenfalls sah die Öffentlichkeit das im Pascal-Prozess so. Es ging um das spurlose Verschwinden eines fünfjährigen Jungen aus Burbach. Und Teusch wurde zum bekanntesten und meist gehassten Strafverteidiger des Saarlandes in einem beispiellosen "Skandalprozess". Denn seine Mandantin hieß Christa W., sie war die Wirtin der Tosa-Klause, eine vermeintliche "Puffmutter" für Kindesmissbrauch. Teusch bekam sie frei. Bis heute hält er Kontakt zu ihr, bis heute sieht er sie als Justizopfer: "Ich habe sie vor dem Selbstmord gerettet. Ich dachte lange, sie hängt sich in der Zelle auf." Teusch erzählt von Diskriminierung. Christa W. könne manchmal nicht mit der Saarbahn fahren, weil man sie anbrülle: "Du Kinderfickerin kommst hier nicht rein." Immer noch echauffiert sich der 68-Jährige über den "Freispruch dritter Klasse", über Richter, die, obwohl sie "nichts, aber auch gar nichts" in der Hand gehabt hätten, in ihr Urteil erhebliche Zweifel an der Unschuld aller - zuletzt noch zwölf - Angeklagten hatten einfließen lassen.

Für Teusch ist das nicht nur als Jurist inakzeptabel, sondern als Mensch. Denn Teusch ist zutiefst sicher, dass seine Mandantin nichts getan hat. Als Grund dafür nennt er die "exzellente" Ermittlungsarbeit der Polizei und das eigene akribische Aktenstudium. Nur zu gerne, sagt Teusch, wäre er damals auf die Seite derer gewechselt, die ihn mieden und anfeindeten: "Wie kannst du nur solche Menschen verteidigen!?", hieß es.

"Ich wollte wirklich etwas finden, um Zweifel entwickeln zu können, stattdessen kam ein Mosaiksteinchen nach dem anderen für einen Freispruch hinzu", das erzählt Teusch heute. Im Gerichtssaal erreichten ihn Zettel mit Morddrohungen, zu Hause Hass-Anrufe. Er hielt durch. "Wenn ich kapituliert hätte, hätte ich mein Innerstes verraten", sagt er. Überregionale "Pascal"-Gerichtsreporter beschrieben den Saarländer zunächst als bieder, später als Mann der starken Worte. Das sprach sich auf der Lerchesflur unter den Gefangenen herum, brachte Teusch neue Kunden. Dabei galt und gilt: "Ich habe noch nie jemanden auf Freispruch verteidigt, von dem ich wusste, dass er schuldig ist."

Teusch pocht im Umgang mit seinen Mandanten auf absolute Ehrlichkeit und Offenheit: "Wenn ich weiß, der war's, haue ich niemanden mehr raus. Dann geht es nur noch darum, die gerechte Strafe zu erwirken und ein faires Verfahren zu garantieren."

Bevor Teusch ins Gefängnis zu einem ersten Gespräch geht, kennt er "die Akte auswendig" und weiß eigentlich schon, "wie es gewesen ist". Er bemerke sofort Ausreden und Verharmlosungen, sagt Teusch. Auch hält er die geringste Strafe nicht immer für die beste. Mitunter sei es besser für die Delinquenten, im Gefängnis zu bleiben und eine Ausbildung oder eine Therapie zu machen. Er leiste dann die "Begleitung im Vollzug". So vergeht auch Teuschs Lebenszeit gutteils hinter Gittern.

Als 18-jähriger Gymnasiast hat er sich das alles wohl pompöser vorgestellt. Bei einem Besuch mit seiner Klasse im Völklinger Amtsgericht fing er Feuer. Danach stand der exakte Berufswunsch auf einem Zettel: Strafverteidiger, nicht einfach nur Anwalt. "Mich hat die Atmosphäre bei Gericht beeindruckt, die Roben auf den Gängen, die Rededuelle." Konsequent ging es für Teusch weiter: Studium in Freiburg, Referendariat im Saarland, ein damals bekannter Saarbrücker Strafverteidiger lehrte ihn dann viel, vor allem Furchtlosigkeit: "So lange wir einen guten Job machen, sind wir die Freunde der Angeklagten. Die wollen was von uns." Genauso sei es, meint Teusch: "Ich hatte noch nie Angst." Im Gegenteil, er fühle sich durch die Kontakte eher geschützt, merkt er mit Ironie an: "Wenn ich abends in der Altstadt unterwegs bin und schreie, bin ich nicht, wie andere, allein. Für mich kommt Beistand."

Und mit dem verurteilten Mörder und Ex-Unterwelt-König Hugo Lacour geht er auch gerne mal ein Bier trinken, wenn er ihn zufällig am Markt trifft. Riskante Nähe? Eher professionelle Unverkrampftheit. Doch wie erträgt man Gewohnheits- und Gewalt-Verbrecher wie die Typen aus dem Kosovo, die ein Saarbrücker Rentnerpaar mit dem Bügeleisen folterten? Das seien wahrlich keine "sympathischen Menschen", meint Teusch. Doch sein Berufsethos verpflichte ihn, zumindest deren Beweggründe herauszufinden. Oft handelten seine Mandanten, insbesondere Einbrecher aus Rumänien oder Polen, aus krasser Not, aus Fürsorge für hungernde Kinder. Verkauft da ein Gutmensch Tränendrüsen-Storys? Kaum. Teusch pflegt einen sehr nüchternen Blick auf seine Klientel, etwa auf Dealer, die alle und jeden verrieten, nur, um eine geringere Strafe zu bekommen.

 Der „Pascal-Prozess“ brachte ihm Morddrohungen ein. Foto: Becker&Bredel

Der „Pascal-Prozess“ brachte ihm Morddrohungen ein. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Wie stellt er sich den Ruhestand vor? Gar nicht. Seine ehrenamtlichen Aufgaben rund um die Hobbys - Kanufahren, Traditionspflege im Verein Schlaraffia Fulkolinga - betreibt der kinderlose Teusch so exzessiv, dass seine Frau ihn lieber weiter in der Saarbrücker Kanzlei "rt Strafverteidiger" aktiv sieht. Als Überzeugungstäter.

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