Frauentag Die Frauenministerin schleift eine der letzten Männerbastionen

Berlin · SPD-Politikerin Franziska Giffey, die tags zuvor noch im Saarland weilte, wirbt vor dem Internationalen Frauentag für den Job der Müllwerkerin. Und packt mit an.

 Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ging gestern in Berlin auf Tour mit der Müllabfuhr – wo inzwischen auch Frauen arbeiten.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ging gestern in Berlin auf Tour mit der Müllabfuhr – wo inzwischen auch Frauen arbeiten.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Franziska Giffey kennt jetzt den „Hose-Voll-Knopf“. Den drückt der Müllwerker, der hinten auf dem Sammelfahrzeug steht, wenn er in Probleme gerät und der Fahrer sofort anhalten muss. Die Frauenministerin, die tags zuvor noch zu Besuch in einer saarländischen Kita war, hat den Knopf gestern nicht gebraucht. Alles ist gut gegangen auf ihrer kurzen Entsorgungstour durch Berlin. Obwohl der „Einseinser“, wie die SPD-Politikerin hinterher fachmännisch sagt, das 1110 Liter-Gefäß also, doch ganz schön Gewicht hat. Man sieht es, als Giffey es über die Bordsteinkante hieven muss.

Zwei kernige Mitarbeiter der Berliner Stadtreinigung helfen, „der Robert und der Torsten“. Giffey ist mit den beiden nach der Schicht per Du, die geben das Lob zurück: Die Politikerin habe „richtig handfest angepackt“. Das Ganze ist eine Presseaktion zum Internationalen Frauentag, der in Berlin heute erstmals ein Feiertag ist. Giffey begrüßt den Medienpulk mit „Mahlzeit“ und leert vor den Kameras vier Tonnen. Ob es ihr Spaß macht? „Iss mal wat richtjet“, berlinert sie. Die „ZDF-heute-show“ lässt sich so ein Ereignis nicht entgehen. „Jaaa, Gleichberechtigung!“, ruft Hazel Brugger in die Kamera und bläst in eine Tröte.

Die Müllabfuhr war lange eine der letzten Männerbastionen, doch jetzt fällt auch sie. 23 Pionierinnen aus ganz Deutschland haben sich in Berlin getroffen, um Erfahrungen auszutauschen. Der „Verband Kommunaler Unternehmen“ hat sie eingeladen, er wirbt für den Job. Treiber der Gleichberechtigung ist auch hier der Fachkräftemangel. Verbands-Geschäftsführerin Katherina Reiche sagt das ganz offen. Die versammelten Müllwerkerinnen sind eher jung, aber weder besonders groß, noch kräftig. Ein normaler Durchschnitt von Frauen dieser Altersgruppe. Giffey fragt, warum sie den Job machen. Die meisten sagen wie Jessica, 34, aus Berlin, dass sie gerne körperlich arbeiten. Und gerne draußen sind. Jessica war vorher Arzthelferin, „da habe ich gemerkt, was ich nicht will“. Sandra, 44, aus Münster, hat 19 Jahre „in der Produktion“ gearbeitet. Als Müllwerkerin seien die Schichten besser für sie. Sie ist alleinerziehend. „Die Arbeit ist schwer“, sagt sie. „Doch das sind andere Berufe auch.“

Am Ende ihrer Arbeitstage wissen alle, was sie getan haben. 20 Kilometer gelaufen, etliche Tonnen geschoben, gezogen, gehievt. Alle Frauen haben einen Fitnesstest bestanden, der für Männer gleich ist. In drei Tagen werden sie angelernt. Die männlichen Kollegen hätten teils schon reserviert reagiert, sagt Jessica. „Manche hatten Angst, dass sie unsere Arbeit mitmachen müssen.“ Aber wenn sie sähen, „dass wir genauso in die Keller reingehen“, sei das schnell vorbei. Keine Probleme. Manche Passanten machen noch Fotos, wenn sie Müllwerkerinnen sehen. Und ältere Leute fragen schon mal: „Warum machen Sie sowas, warum arbeiten Sie nicht im Kindergarten?“ Giffey will, dass solche Arbeiten für Frauen normal werden. „Frauen können alles“, ist ihre Botschaft. Ihr ist bei der Tour ziemlich warm geworden, gibt sie zu. „Aber ich habe gehört, das wird es den Männern auch“.

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