ScienceLab in St. Ingbert Frau Schnabel und die kleinen Forscher

St. Ingbert · Wie lernen Kinder, sich für Naturwissenschaft zu begeistern? Das ScienceLab der Montessori-Grundschule in St. Ingbert macht es vor.

 Konzentriert beim Bierdeckel-Experiment mit Mini-Motor: Die St. Ingberter Montessori-Grundschüler Sinan und Julio, im Hintergrund Theo.

Konzentriert beim Bierdeckel-Experiment mit Mini-Motor: Die St. Ingberter Montessori-Grundschüler Sinan und Julio, im Hintergrund Theo.

Foto: Nicole Paschek

Noah schließt die Augen und reckt den Kopf nach oben. Er wirkt hochkonzentriert, sein Gesicht angespannt. Als er zum vierten Versuch ansetzt, trennt er jede Silbe des Wortes: „E-lek-zi-tri-tät!“ Es fällt dem Jungen mit strohblondem, dünnem Haar offensichtlich schwer, das Thema des heutigen Kurses auszusprechen. Kein Wunder: Er ist erst sieben Jahre alt.

Neben Noah stürmen jeden Montag elf weitere Kinder in die „ScienceLab Experimentierwerkstatt“ von Sandra Schnabel. Seit knapp einem Jahr bietet die blonde Frau mit Kurzhaarschnitt diesen Kurs an der Montessori-Grundschule Am Hasenfels in St. Ingbert an. Während die aus Saarbrücken kommende Mutter von vier Kindern noch Batterien, kleine Glühbirnen, Halterungen und bunte Kabel auf den Tischen verteilt, greifen die ersten kleinen Hände bereits nach den Teilen.

„Moment! Forscherhaltung bitte!“, ruft die 45-Jährige und blickt dabei streng durch ihre Brille in Bernsteinoptik. Forscherhaltung bedeutet: Hände unter den Tisch, Augen und Ohren sind auf sie gerichtet. So stellt Sandra Schnabel sicher, dass die Aufmerksamkeit der Kinder ihr gehört, während sie kurz wiederholt, warum sie mit einer kleinen Batterie experimentieren und nicht mit der Steckdose. Dann dürfen die an diesem Montag acht anwesenden Jungen und drei Mädchen endlich loslegen.

Im Gegensatz zum Wort Elektrizität hat Noah mit dem Bauen von Stromkreisen überhaupt keine Probleme. Nach weniger als einer Minute leuchtet sein Birnchen. Ihm folgen noch elf andere, die den bis dahin eher dunklen Raum in gemütliches Licht tauchen. „Viele kommen in den Kurs und denken, dass ich alles mache und sie zugucken“, erzählt Sandra Schnabel, während die Kinder werkeln. „Aber so ist es gerade nicht. Und genau das ist der Unterschied im ScienceLab.“ Hier sollen die Kinder selbst ausprobieren und dadurch lernen. So wie echte Forscher das auch tun.

Sandra Schnabels Experimentierwerkstatt ist ein Projekt des ScienceLab. Diese unabhängige Bildungseinrichtung richtet sich hauptsächlich an Kinder von vier bis zwölf Jahren. „Wir hatten aber auch schon Über-70-Jährige dabei“, sagt Heike Schettler, eine der Gründerinnen des 2002 ins Leben gerufenen Vereins, der sich von Spenden und Mitgliederbeiträgen finanziert. Sie erzählt von Eltern-Kind-Workshops, die häufig von Großeltern mit ihren Enkeln besucht werden, von den Schulungen für Lehrer und Erzieher sowie den Ferienkursen. All diese Veranstaltungen haben ein Ziel: „Wir möchten Kinder früh und spielerisch an Naturwissenschaften heranführen“, erklärt Schettler. Dafür nutzen sie eine Eigenschaft, welche die meisten Kinder sowieso besitzen: Neugierde. Das ständige Fragen nach dem Warum. Doch anstatt ihnen die Welt zu erklären, sollen die Kinder im Projekt selbst herausfinden, wie sie funktioniert.

Dazu spielt Sandra Schnabel mit den im Kreis versammelten Kindern zuerst das Stromkreisspiel. „Der Leo wollte unbedingt der Pluspol sein. Dann ist der Morris, weil er genau danebensteht, jetzt der Minuspol“, beschließt die Leiterin und drückt den Kindern zwei zweckentfremdete Joghurteimer in die Hand. Etwa zehn Holzkugeln befinden sich in Morris‘ Eimer. Das sind die Elektronen. Sie müssen nun entlang eines Seils in Leos Eimer. „Ich bin das letzte Stück vom Kabel“, verkündet eines der Zwillingsmädchen stolz. Sie steht direkt neben Leo und hält das Seil, so wie die anderen Kinder auch, mit beiden Händen vor sich. „Dann brauchen wir noch ein Lämpchen“, sagt Sandra Schnabel. Freiwillige sind schnell gefunden. „Und was machen die Lämpchen, wenn das Elektron vorbei kommt?“, fragt sie die Kinder. „Bing Bing Bing“, tönt es im Kanon und schon schieben die Kinder die Kugeln entlang des Seils von Morris zu Leo.

Ein paar Minuten später bringt eine andere Aufgabe die Kinder zum Grübeln. Zwei Birnchen sollen sie an eine Batterie anschließen. Doch bei Noah leuchten beide viel heller als bei Maxim. Woran das liegen könnte, will Sandra Schnabel wissen. Vielleicht hat eine Batterie weniger Energie, schlägt jemand vor. „Das ist eine Erklärung. Aber schaut euch noch mal an, wie die Lämpchen mit der Batterie verbunden sind“, gibt sie als Tipp. Es dauert nicht lange, da kommt Clara mit der richtigen Lösung: „Bei dem Stromkreis müssen sich die Birnchen den Strom teilen. Bei dem nicht.“ Dann probiert eines der Zwillingsmädchen aus, was passiert, wenn sie eine der Glühbirnen rausdreht. Bei Noahs Stromkreis leuchtet das andere Birnchen weiter, bei Maxims Stromkreis nicht. So hat Sandra Schnabel bereits Grundschulkindern den Unterschied zwischen einer Reihen- und Parallelschaltung nähergebracht.

Elektrizität ist eines von Dutzend Themen, die das ScienceLab anbietet. Dazu gehören zum Beispiel auch „Unsere Erde“, „Mathematik zum Anfassen“ und „Weltall“. Einmal hat Sandra Schnabel mit den Kindern eine Rakete gebastelt. Die liegt immer noch auf dem Dach der Schule. Die Methoden des ScienceLab machen den Kindern nicht nur Spaß, sie funktionieren auch. Wie eine Studie der Universität Heidelberg an mehreren Kitas in Deutschland zeigte, wissen Kinder, die Experimente mit Luft, Wasser, Salz, Zucker und Öl nach Art des ScienceLabs machen durften, danach wesentlich mehr über diese Stoffe als Kinder, die solche Erfahrungen nicht machen konnten. Außerdem war ihr naturwissenschaftliches Denken ausgeprägter: Der Kurs förderte bei den Kindern das Fragen, Forschen und Finden von Antworten.

„Letztes Jahr hätte ich mich teilen können. So groß war die Nachfrage nach den ScienceLab-Kursen“, erzählt Sandra Schnabel. Kein Wunder: Von insgesamt fast 60 ScienceLab-Kursleitern ist sie die einzige im Saarland. Auf die Idee kam sie durch ihre Kinder, die an solch einem Kurs in Hessen teilnahmen. „Als wir dann zurück ins Saarland gezogen sind, habe ich festgestellt, dass es das ScienceLab hier gar nicht gab“, erinnert sie sich. „Eine Kursleiterin hat mir dann gesagt: Probier‘s doch einfach mal selbst.“ Das konnte sich die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin zuerst gar nicht vorstellen. Vor den Naturwissenschaften ist sie selbst immer zurückgeschreckt. Nachdem sie dann aber 2010 eine ScienceLab-Schulung besuchte, wollte sie nichts anderes mehr machen und bot ihre Kurse an verschiedenen Schulen an, fuhr von einer Klasse zur nächsten. Mittlerweile ist sie an der Montessori-Grundschule in St. Ingbert fest angestellt und hat noch das Montessori-Diplom drangehängt.

Die Kinder ihres Kurses hängen unterdessen winzige Motoren an den Stromkreis. Damit wollen sie malen. Dazu teilt Sandra Schnabel noch unbedruckte Bierdeckel und bunte Stifte aus. Mit einem kleinen Draht drücken die Kinder ein Loch in die Mitte des Pappdeckels und setzen diesen auf den Motor. Dann ist Teamwork gefragt: Sobald ein Kind den Motor an der Batterie anschließt, beginnt sich dieser mitsamt Bierdeckel zu drehen. Erst langsam, dann immer schneller. Das andere Kind hält nun vorsichtig einen Stift an den Bierdeckel, dann einen anderen und noch einen. Am Ende entsteht ein buntes Mandala-artiges Muster nach dem anderen. Als wenig später die ersten bemalten Bierdeckel durchs Zimmer fliegen, weiß Sandra Schnabel, dass es Zeit ist, für dieses Mal Schluss zu machen.

 Sie zeigt Kindern, wie spannend Naturwissenschaft ist: ScienceLab-Leiterin Sandra Schnabel.

Sie zeigt Kindern, wie spannend Naturwissenschaft ist: ScienceLab-Leiterin Sandra Schnabel.

Foto: Nicole Paschek

Beim Zusammenpacken ihrer Elektrizitätskiste erzählt sie von der Elternarena, die sie am Ende der Kurse oft organisiert: „Da dürfen die Kinder nicht nur zeigen, was sie können, auch die Eltern dürfen mal selbst ran.“ Da gebe es dann oft eine gewisse Hemmschwelle – gerade bei Elektrizität. „Wenn die Kinder ihren Eltern dann zeigen, wie das geht, haben auch die ihr Aha-Erlebnis“, fügt sie schmunzelnd hinzu.

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