#MeToo-Debatte Frankreichs Haushaltsminister unter Vergewaltigungsverdacht

Paris · Von Christine Longin

Gérald Darmanin ist einer der Shooting Stars der französischen Regierung. Der Haushaltsminister gehört zum kleinen Kreis derer, die beim Abendessen im Elysée mit Emmanuel Macron die großen politischen Fragen erörtern dürfen. Doch für den 35-Jährigen könnte bald Schluss sein mit der Vorzugsbehandlung. Gegen den jungenhaften Politiker, der für seine scharfe Rhetorik bekannt ist, laufen nämlich Vorermittlungen wegen Vergewaltigung. Die Geschichte ist alt. Doch in Zeiten der #MeToo-Debatte bekommt sie in Frankreich neue Aufmerksamkeit.

Eine ehemalige Prostituierte wirft dem Minister vor, sie 2009 zum Sex gezwungen zu haben. Darmanin war damals einfacher Stadtrat und bei der konservativen UMP in der Abteilung für Justizangelegenheiten. Als solcher empfing er die heute 46-Jährige, die sich einer Verurteilung wegen Erpressung ihres ehemaligen Liebhabers entledigen wollte. Laut den Schilderungen der Frau in der Zeitung „Le Monde“ versprach der damals noch unerfahrene Lokalpolitiker Hilfe. Beim Abendessen in einem Restaurant soll Darmanin anzüglich gesagt haben: „Sie müssen mir auch helfen.“ Dem Ex-Callgirl zufolge folgte ein Besuch im Swingerclub und eine Nacht im Hotel, in der Darmanin sie zum Sex gezwungen haben soll.

Das mutmaßliche Opfer erinnerte sich erst wieder an die Ereignisse, als Darmanin im Sommer zum Haushaltsminister ernannt wurde. Ihr Mann schilderte in einem Brief an den damaligen Justizminister François Bayrou die Nacht des 17. März 2009. Es folgte eine Anzeige wegen Vergewaltigung, die aber zu den Akten gelegt wurde, weil die Frau viermal nicht zur Anhörung erschien. „Das alles ist falsch“, reagierte der Minister, nachdem die ersten Anschuldigungen bekannt wurden und erstattete seinerseits Anzeige wegen Verleumdung.

Doch sein mutmaßliches Opfer ließ den Fall nicht ruhen und kam im Dezember mit einer zweiten Anzeige, die neue Vorermittlungen nach sich zog. Die Kriminalpolizei verhörte die 46-Jährige acht Stunden lang. Sie übergab der Polizei auch die SMS, die sie 2009 mit Darmanin gewechselt haben will. „Was für eine Anstrengung es mich gekostet hat, mit dir zu schlafen, nur damit du dich um meine Angelegenheit kümmerst“, zitiert „Le Monde“ eine Kurznachricht, auf die Darmanin geantwortet haben soll: „Du hast recht, ich bin ein schmutziger Typ. Wie kann ich mich entschuldigen?“. Sein Anwalt sieht in den Vorwürfen den Versuch, die Karriere seines Mandanten zu beenden. „Der Zeitpunkt der Klage zeigt die Absicht, Schaden zuzufügen“, sagte Pierre-Olivier Sur.

Der Schaden für den Jungstar ist schon jetzt groß. Denn Frankreichs Frauen nehmen die Vorwürfe sexueller Belästigung nicht mehr einfach so hin. Unter dem Hashtag „Balancetonporc“ („Schwärze dein Schwein an“) wird grobe Anmache  thematisiert. Eine Petition von vier Feministinnen, die bereits mehr als 2500 Franzosen unterzeichneten, forderte die Entlassung Darmanins.

Für die oppositionellen Republikaner, denen Darmanin vor seinem Wechsel zur Präsidentenpartei La République en Marche angehörte, ist der Fall ein Anlass, sich an dem Abtrünnigen zu rächen. Sprecher Laurent Saillet forderte den Rücktritt des Ministers und erinnerte an Macrons Versprechen, für mehr Moral in der Politik zu sorgen.

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