Fluch oder Segen?

Gesundheits-Apps oder Fitnessarmbänder können Anreiz bieten, sich gesünder zu ernähren oder mehr zu bewegen . Mehr als 100 000 solcher Apps gibt es inzwischen, die Gesundheitspolitik erwartet sich einiges davon. Doch noch sind viele Fragen zu klären – vor allem beim Datenschutz. Angesichts erster Sondertarife von Krankenkassen für App-Nutzer warnen die Grünen jetzt vor einer Aushöhlung des Solidargedankens. Wichtige Fragen und Antworten zu diesem Thema:

 Gesundheits-Apps können den Nutzer zum Beispiel beim Abnehmen unterstützen. Foto: AOK

Gesundheits-Apps können den Nutzer zum Beispiel beim Abnehmen unterstützen. Foto: AOK

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Wird der Datenschutz von solchen Apps eingehalten?

Häufig nicht, sagt Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU ). Bei Datenschutzerklärung und Einwilligung der Nutzer fehlt es oft an Transparenz. Und wenn Daten im Ausland gespeichert werden, ist die Nutzung nicht dem deutschen Datenschutzrecht unterworfen - Stichwort: Google und Co.

Bieten Krankenkassen mehr Datenschutz als Google und Co.?

"Absolut! Hier ist der Umstand, dass die Krankenkassen als Körperschaften öffentlichen Rechts stark reguliert sind, mal ein Vorteil", sagt der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas. "Und wir unterliegen dem deutschen Datenschutzrecht , das zu den strengsten der Welt gehört. In den USA sieht das ganz anders aus. Außerdem arbeiten wir nicht gewinnorientiert."

Geben Versicherte ihre Daten an Krankenkassen weiter?

Nach einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom würde ein Drittel der befragten Nutzer ihre Gesundheitsdaten an Krankenkassen weitergeben, etwa um im Gegenzug Vorteile zu erhalten. Allerdings sehen nach einer anderen Studie im Auftrag des Justizministeriums 39 Prozent der Befragten in der Nutzung ihrer Daten durch Dritte ein Problem. In der Tat könnte auf diesem Wege unter anderem eine Risikobewertung der Versicherten durch die Kasse vorgenommen werden und damit über eine Aufnahme oder Ablehnung entschieden werden.

Gewähren Kassen Vorteile?

Als eine der ersten gesetzlichen Krankenkassen denkt die TK darüber nach, die Nutzung von Fitnessarmbändern zur gesundheitlichen Förderung in ihr Bonusprogramm zu integrieren. Allerdings stellte TK-Chef Baas klar, die Teilnahme sei freiwillig. "Mit Risikobewertung hat das nichts zu tun." Anders als die private nehme die gesetzliche Krankenversicherung keine Risikoprüfung oder -bewertung ihrer Versicherten vor.

Gibt es Vorbehalte der Versicherer gegen Fitnessarmbänder?

Ja, sowohl bei gesetzlichen wie bei privaten. Die Allianz argumentiert, die Versichertengruppen der Bewegungsfreudigen sei zu klein. Die messbare Beitragsersparnis durch Fitness-Apps läge im Promillebereich. Die DKV Deutsche Krankenversicherung meint, die Menschen sähen mehrheitlich keinen Nutzen im Gebrauch der heutigen Wearables. In ihrem jüngsten Report gaben gut 6 Prozent der Befragten an, ein Fitnessarmband zu besitzen. 3 von 10 Besitzern benutzen es aber nicht mehr, weitere 16 Prozent haben es noch nie genutzt. Damit verwendet nur gut die Hälfte der Besitzer die Fitnessarmbänder tatsächlich.

Sind solche Gesundheits-Apps eigentlich verlässlich?

Die Ungenauigkeiten bei der Anzeige von Puls, Bewegung, Kalorienverbrennung oder Ähnlichem sind immer noch sehr groß. Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink warnt, durch Fehlfunktionen oder -informationen kann es sogar zu gesundheitsgefährdendem Verhalten kommen. Auch tauche der Begriff der "Cyberchondrie" immer häufiger auf. Zunehmende Selbst-Vermessung oder falsche Krankheitsinformationen aus dem Internet können Krankheitsängste so weit schüren, "dass sie sich zu einer manifesten Hypochondrie auswachsen". Es gibt heute etliche Tests, die die Genauigkeit von Fitnessarmbändern und Apps überprüft haben.

Meinung:

Eine einfache Rechnung

Von SZ-Korrespondent Hagen Strauß

Dass die Bürger im Netz viel freizügiger mit ihren Daten umgehen, ist keine neue Erkenntnis. Man könnte also meinen, die Aufregung um die Datenübermittlung von Gesundheits-Apps oder Fitnessbändern an Krankenkassen ist übertrieben. Mag sein. Vorsicht ist aber geboten. Denn es geht um hochsensible Daten, die den Weg in die Zwei-Klassen-Medizin verstärken könnten. Angesichts des permanenten Kostendrucks im System kann es womöglich irgendwann dazu kommen, dass die Kassen anhand der übermittelten Fitnessdaten festlegen, wem sie noch welche medizinische Leistung zubilligen. Nicht heute, aber morgen. Je gesünder ein Versicherter lebt, desto weniger belastet er das Budget. So die einfache Rechnung. Deswegen müssen schleunigst klare Regeln zur Nutzung der Fitnessdaten durch die Kassen her - und zwar zum Schutz jener, die keine Lust auf die neue digitale Zeit haben.

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