Fest der vier Päpste

Die letzten werden die ersten sein, heißt es im Matthäus-Evangelium. Und dieser Gedanke könnte die zwei jungen Frauen trösten, die gestern Morgen auf einer Bordsteinkante in der Nähe des Petersplatzes in Rom kauern.

Violetta (29) und Barbara (28) sind per Autostopp aus Warschau angereist. Jetzt sitzen die beiden Polinnen mit kleinen, müden Augen vor einer Absperrung etwa hundert Meter von ihrem Ziel entfernt. Sie haben die Nacht am falschen Eingang gewartet, die Sicherheitsleute an den Absperrungen lassen an dieser Stelle niemand auf den Petersplatz. "Dabei sein ist alles, auch wenn man nichts sieht", sagt Violetta, die vor allem für die Heiligsprechung ihres Landsmanns Karol Wojtyla gekommen ist.

Rund 1,5 Millionen Menschen sind gestern zur Heiligsprechung der beiden Päpste Johannes XXIII. (1881-1963) und Johannes Paul II. (1920-2005) nach Rom gekommen. Hunderttausende verfolgten die Zeremonie auf Großbildleinwänden am Petersplatz und der anliegenden Via della Conciliazione. 700 Bischöfe, etwa 150 Kardinäle und 126 Delegationen von Staatsgästen aus der ganzen Welt waren bei der Zeremonie anwesend, darunter der spanische König Juan Carlos mit seiner Frau Sophia, der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa, aber auch der Diktator aus Zimbabwe, Robert Mugabe. Die deutsche Bundesregierung wurde durch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles vertreten.

Nie zuvor wurden zwei Päpste gleichzeitig heilig gesprochen, nie feierten zudem zwei Päpste gemeinsam vor dem Petersdom eine Messe. Papst Franziskus stand der Zeremonie der Heiligsprechung vor, auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. war erstmals nach seinem Rücktritt wieder auf dem Petersplatz zu sehen. Als sein Bild auf den Großbildleinwänden gezeigt wurde, brandete höflicher Applaus auf. Franziskus begrüßte Benedikt persönlich mit einem Bruderkuss. "Tag der vier Päpste", hatten italienische Medien das Großereignis getauft.

Gegen 10.15 Uhr sprach Franziskus die lateinische Formel zur Kanonisation seiner beiden Vorgänger: "Nach langer Überlegung und nachdem mehrmals göttliche Hilfe angerufen wurde und die Meinung vieler bischöflicher Mitbrüder gehört wurde, sprechen wir die Seligen Johannes XXIII. und Johannes Paul II. heilig und tragen sie in das Verzeichnis der Heiligen ein und setzen fest, dass sie in der ganzen Kirche devot unter den Heiligen verehrt werden."

In seiner Predigt stellte Franziskus die beiden Heiligen in Zusammenhang mit dem von Johannes XXIII. 1962 berufenen Zweiten Vatikanischen Konzil und aktuellen kirchenpolitischen Ereignissen. "Sie waren zwei mutige Männer", sagt Franziskus über seine beiden Vorgänger. Sie hätten das Wesentliche des Evangeliums gelebt, "um die Kirche entsprechend ihrer ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen und zu aktualisieren". Als "Papst der Folgsamkeit gegenüber dem Geist" bezeichnete Franziskus Angelo Roncalli alias Johannes XXIII., den Polen Karol Wojtyla (Johannes Paul II.) nannte er den "Papst der Familie". So habe dieser selbst in die Erinnerung eingehen wollen. "Ich hebe das gerne hervor, da wir gerade einen Weg zur Synode über die Familie und mit den Familien beschreiten, den er vom Himmel her sicher begleitet und unterstützt", sagte Franziskus.

In Vorbereitung der Synode zum Thema Familie hatte Franziskus im Oktober persönlich in einer kirchenintern umstrittenen Aktion Fragebögen an die Gläubigen in die Diözesen aller Welt verschicken lassen, um sich ein Bild über die Praxis der Gläubigen zu machen. Aus den Antworten insbesondere in Deutschland ging hervor, dass die strenge Moral- und Sexuallehre der Kirche, für die sich besonders Johannes Paul II. immer wieder stark gemacht hatte, kaum befolgt wird. "Mögen beide uns lehren, keinen Anstoß zu nehmen an den Wunden Christi und in das Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit einzudringen, die immer hofft und immer verzeiht, weil sie immer liebt", predigte Franziskus. Damit unterstrich er sein Bestreben nach einer Kirche, in der weniger die Verbote im Vordergrund stehen, sondern die christliche Maxime der Barmher zigkeit.

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