Studie zu Flüchtlingen Fehlende Perspektive führt zu mehr Gewalt

Hannover · Laut Studie hat der Zuzug von Flüchtlingen zu mehr Gewalttaten geführt. Vor allem junge Nordafrikaner machen Sorgen.

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Foto: picture-alliance/ dpa/Ingo Wagner

Die Frage bereitet schon seit Jahren Kopfzerbrechen: Sind Zuwanderer krimineller als schon länger in Deutschland lebende Ausländer und Deutsche? Eine neue Studie aus Niedersachsen legt nahe, dass der Zuzug von Flüchtlingen zumindest für mehr Gewalttaten gesorgt hat – und dass vor allem junge Männer aus Nordafrika ohne Bleibeperspektive eine auffällige Gruppe sind. Was kann der Staat dagegen tun?

Kriminologen fordern eine bessere Integration junger Flüchtlinge. Notwendig seien etwa Sprachkurse, Sport und Praktika sowie Betreuungskonzepte für ohne Familie eingereiste Jugendliche, schreiben die Autoren der im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erstellten Studie. Außerdem sei ein umfangreiches Programm für die freiwillige Rückkehr abgelehnter Asylbewerber notwendig, meinen die Kriminologen Christian Pfeiffer, Dirk Baier und Sören Kliem.

Denn die zentrale Aussage ihrer Studie ist klar: Der Zuzug von Flüchtlingen hat in Niedersachsen zu einem Anstieg der Gewalttaten geführt. Zwischen 2007 und 2014 gingen polizeilich registrierte Gewalttaten zurück. Dann wurde wieder ein Anstieg verzeichnet – in Niedersachsen um gut zehn Prozent für die Jahre 2014 und 2015. Gut 13 Prozent der aufgeklärten Fälle sind der Studie zufolge Flüchtlingen zuzurechnen. Für den Anstieg der Gewalttaten sind sie damit zu 92 Prozent verantwortlich. „Niedersachsen ist ein durchschnittliches Bundesland, die Ergebnisse sind deshalb in Teilen generalisierbar“, sagt Co-Autor Baier von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Als besonders auffällige Gruppe machten die Forscher Flüchtlinge aus nordafrikanischen Ländern mit schlechter Bleibeperspektive aus. Dagegen wurden Syrer, Iraker und Afghanen vergleichsweise selten auffällig. „Wer als Kriegsflüchtling für sich gute Chancen sieht, in Deutschland bleiben zu dürfen, wird bemüht sein, diese Aussichten nicht durch Straftaten zu gefährden“, analysieren die Autoren.

17 Prozent der von Flüchtlingen begangenen Gewalt- und 31 Prozent der Raubdelikte gingen der Untersuchung zufolge auf das Konto von Tätern aus Algerien, Tunesien oder Marokko, obwohl sie nur knapp ein Prozent der in Niedersachsen registrierten Flüchtlinge ausmachten. Bei Syrern, Irakern und Afghanen ist es umgekehrt: Sie machten mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Flüchtlinge aus. Ihr Anteil an den von Flüchtlingen begangenen Gewalttaten betrug knapp 35, bei Raubtaten 16 Prozent.

Auch in der Tatsache, dass viele Flüchtlinge junge Männer sind, liege ein Grund für höhere Kriminalitätsquoten. In jedem Land seien 14- bis 30-Jährige Männer bei Gewalt- und Sexualdelikten überrepräsentiert. In Niedersachsen gingen fast zwei Drittel der aufgeklärten Straftaten auf ihr Konto. Ihr Anteil an allen registrierten Flüchtlingen betrage 27 Prozent. Flüchtlinge leben in Deutschland häufig in Männergruppen zusammen – ohne Partnerin, Mutter, Schwester oder andere weibliche Bezugsperson. „Überall wirkt sich negativ aus: der Mangel an Frauen“, sagt Pfeiffer dazu. Dieser Mangel erhöhe die Gefahr, dass junge Männer sich „an gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen orientieren“, schreiben die Autoren der Studie. Pfeiffer hält die Idee des Familiennachzugs deshalb für „nicht dumm“.

Doch genau der ist derzeit für die Gruppe subsidiär Schutzberechtigter ausgesetzt. Betroffen sind vor allem Syrer. Ob sie auch über März hinaus nicht das Recht haben, ihre Kernfamilie nachzuholen, ist vor dem Start der Sondierungen für eine mögliche große Koalition zwischen Union und SPD umstritten.

Die Wissenschaftler plädieren außerdem für ein Einwanderungsgesetz, in dem klar geregelt ist, unter welchen Bedingungen Ausländer eingebürgert werden können: „Das schafft für sie einen starken Anreiz, sich engagiert um die Erfüllung der Einwanderungsvoraussetzungen zu bemühen.“

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