Fall Edathy landet bei Gericht

Hannover · Für den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy wird es eng: Nach langen Ermittlungen erhebt die Staatsanwaltschaft Hannover jetzt Anklage. Auf einem Computer Edathys sollen Internet-Links zu Kinderpornos gefunden worden sein.

Sebastian Edathy muss es gewusst haben - oder zumindest geahnt. "Hausschlachtung" steht seit Sonntag in großen Lettern auf dem Titelfoto seiner Facebook-Seite. Vier Tage später ist klar, dass die Staatsanwaltschaft Hannover Anklage gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten wegen des Besitzes von Kinderpornografie erhebt. Edathys Face book-Eintrag legt die Vermutung nahe, dass er das hat kommen sehen - und es als "Schlachtung" empfindet.

Seit Februar ist Edathy abgetaucht, derzeit soll er sich an einem unbekannten Ort im Ausland aufhalten. Nun muss das Landgericht Verden darüber entscheiden, ob es die Anklage gegen den 44-Jährigen zulässt und es somit zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommt. Fest steht, dass Edathy in diesem Fall als Angeklagter persönlich vor Gericht erscheinen müsste. Laut Strafgesetzbuch drohten dann bis zu zwei Jahre Haft.

Erstmals seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn müsste sich der SPD-Politiker dann dem Blitzlichtgewitter der Öffentlichkeit stellen. "Die Strafe ist nicht das Hauptproblem für den Beschuldigten. Das Verfahren ist es", sagt die Frankfurter Strafverteidigerin Eva Dannenfeldt. Wer unter Kinderporno-Verdacht steht, das weiß sie aus ihrer eigenen Arbeit, wird gesellschaftlich geächtet.

Auch Edathy ist seit Februar politisch wie gesellschaftlich isoliert - seit bekannt wurde, dass er von einem kanadischen Unternehmen Fotos und Videos mit kinderpornografischem Inhalt gekauft und auf seinem Computer gespeichert haben soll. In der SPD läuft ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn. Sollte Edathy verurteilt werden, dürfte er seine Parteimitgliedschaft verlieren. In seiner Heimat Niedersachsen wird der Kreis derer, die zu ihm halten, ohnehin seit Monaten kleiner.

Edathy selbst hat sich zu den Vorwürfen nur einmal geäußert. Dem Magazin "Spiegel" erklärt er vor Wochen: "Ich bin nicht pädophil." Für seinen Hinweis auf die lange Tradition männlicher Aktdarstellungen auch von Kindern und Jugendlichen in der Kunstgeschichte erntete er nicht nur in den sozialen Netzwerken umgehend harsche Kritik. Die Ermittler der Staatsanwaltschaft Hannover dürfte diese Aussage bei ihrer Arbeit kaum interessiert haben. Für sie steht nach der Sichtung der Sicherungskopien von Edathys Bundestags-Computer fest: Die kanadischen Bilder, 31 Videos und Fotosets mit unbekleideten Kindern im Alter zwischen neun und 14 Jahren, waren rückblickend gesehen durchaus ausreichend als Anlass, um weiter gegen Edathy zu ermitteln.

Denn die jetzt formulierte Anklage basiert auf dem, was erst danach bei den Ermittlungen entdeckt wurde: Von dem Laptop, den Edathy im Februar gestohlen gemeldet hat, sollen im Internet Seiten aufgerufen worden sein, die weder etwas mit Kunst zu tun haben noch anderweitig zu erklären sind. Stattdessen, so heißt es, verweisen die Links auf eindeutig strafbare Kinderpornos . Sie waren in einer Sicherungskopie des Computers aus dem Bundestag gefunden worden. Die Verbindungsdaten machen es den Ermittlern auch im Nachhinein möglich, einzelne Seitenaufrufe nachzuvollziehen.

Mit der Edathy-Affäre beschäftigt sich derzeit auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestages. Er soll unter anderem die Rolle des Bundeskriminalamts und anderer Behörden untersuchen und der Frage nachgehen, ob der SPD-Politiker vor den Ermittlungen gewarnt wurde. Die Obleute der Oppositionsfraktionen im Ausschuss hoffen, dass Edathy trotz der Anklageerhebung vor dem Gremium aussagen wird.

Edathy und sein Berliner Anwalt reagieren auf die Anklage kurz, knapp und schriftlich. "Nach unserer Auffassung bildet die Anklageschrift keine tragfähige Grundlage für einen Prozess", teilt der Anwalt mit. Kurz darauf veröffentlicht Edathy die Erklärung bei Facebook . Dabei präsentiert sich der 44-Jährige in dem sozialen Netzwerk bis einen Tag zuvor überaus mitteilsam. Immer wieder postet er kurze Stellungnahmen, die neben mehrdeutigen Einblicken in seine Gefühle oft auch massive Medienkritik enthalten: "Was mich am meisten kränkt, ist das Ausmaß an Mittelmäßig- und Durchschnittlichkeit, mit dem ich seit Monaten konfrontiert werde", schreibt er Anfang Juli. Anfang dieser Woche legt er nach: "Finde nicht mehr Gefallen am Fallen anderer als am eigenen Gehen - oder prüfe Deinen Weg", heißt es da. Und am Mittwoch reimt er in einem Gedicht: "Das Beste an nem Urteil sei, so sagt man, es macht ziemlich frei." Zumindest aus der Ferne gibt sich Edathy weiterhin kämpferisch: "Drei Fehler, die man bei mir nicht machen sollte: 1) Unterschätzen. 2) Unterschätzen. 3) Unterschätzen."

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HintergrundDie Strafbarkeit von Kinderpornografie wurde in den vergangenen Jahren sukzessive von den Gesetzgebern verschärft. Für den Besitz entsprechenden Materials droht aktuell laut Paragraf 184 b ("Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften") des Strafgesetzbuches eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Das Strafmaß für die Verbreitung, Vorführung und Herstellung ist mit bis zu fünf Jahren noch etwas höher angesetzt. Wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, sieht das Gesetz sogar bis zu zehn Jahren Haft vor. dpa

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