Messenger-Dienst Facebook schnappt sich WhatsApp

Menlo Park · Der Kurznachrichtendienst WhatsApp versprach, anders zu sein als Facebook: keine Werbung, keine Auswertung von Nutzerdaten. Jetzt wird die junge Firma ausgerechnet von der „Datenkrake“ gekauft.

 The Facebook logo is displayed on an iPad in Philadelphia, May 16, 2012.

The Facebook logo is displayed on an iPad in Philadelphia, May 16, 2012.

Foto: AP/Matt Rourke

WhatsApp wollte anders sein. Die Gründer lehnten Werbung auf ihrem Kurznachrichtendienst ab. Sie fragen nur spärlich persönliche Informationen von ihren Nutzern ab, nicht einmal den Geburtstag. WhatsApp positionierte sich als das Gegenteil von Facebook - und wird nun ausgerechnet von dem größeren Rivalen geschluckt. Damit landen am Ende auch die Whats App-Nutzer bei Facebook - dem Unternehmen, das davon lebt, sein Wissen über seine mehr als 1,2 Milliarden Mitglieder in Werbung umzumünzen. Das sorgt für Erklärungsbedarf.

"Wir interessieren uns nicht für Informationen über unsere Nutzer", beteuerte Mitgründer Jan Koum noch im Januar. Die moderate Gebühr von einem Dollar pro Jahr reiche für den Betrieb aus. "Wir sind nicht gierig. Und wir sind sparsam", sagte Koum. Nun kassieren er und seine Mitstreiter insgesamt 19 Milliarden Dollar von Facebook. Verrat an der eigenen Sache? Diesen Eindruck versuchte Koum bei der Verkündung des Deals zu vermeiden. Werbung? Die werde es weiterhin nicht geben. Nutzerdaten tauschen mit Facebook? WhatsApp bleibe eigenständig. Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg beeilte sich, zu versichern, WhatsApp solle erstmal weiter wachsen. Danach könne man übers Geldverdienen nachdenken.

Zuckerberg wird auf jeden Fall schon länger über Whats App nachdegacht haben. Schließlich wurde der Nachrichtendienst besonders bei jungen Leuten immer beliebter und hat Facebook in jüngsten Umfragen sogar überholt. Zuckerberg ist dafür bekannt, schnell und entschlossen zuzuschlagen, wenn am Horizont ein Konkurrent auftaucht, der Facebook-Nutzer abziehen könnte. Um den Deal mit den Whats-App-Gründern einzufädeln, brauchte er nach eigenen Angaben gerade einmal elf Tage. "Facebook ist ziemlich aggressiv dabei, dafür zu sorgen, dass es selbst das nächste Facebook ist", sagte Branchenanalyst Benedikt Evans.

WhatsApp soll von den Nutzern nun weiter als eine Art Anti-Facebook wahrgenommen werden. Wenige Funktionen, dafür einfach zu bedienen und schnell. Das hat WhatsApp zu dem am schnellsten wachsenden sozialen Netzwerk überhaupt gemacht. Weder Facebook selbst, noch Gmail, Twitter oder Skype hätten vier Jahre nach ihrem Start eine solch große Anhängerschaft gehabt, rechnete Facebook vor.

Mehr als 450 Millionen Nutzer zählte der Dienst Whats-App zuletzt, täglich kommt etwa eine weitere Million hinzu. "Unser Ziel ist es, einen Dienst zu bauen, den jeder nutzen kann, auf jeder Plattform, auf jedem Handy", sagte Koum bei der Verkündung des Geschäfts. Allerdings machte die Facebook-Führungsriege auch klar, dass WhatsApp irgendwann einmal gutes Geld abwerfen müsse.

Schließlich würde es bei einem Dollar pro Jahr und Nutzer lange dauern, den haushohen Kaufpreis wieder herauszuholen, selbst wenn WhatsApp bald wie erwartet auf eine Milliarde Nutzer anwächst. "Man muss schon extrem naiv sein, um zu glauben, dass WhatsApp langfristig das heutige Preismodell von 0,99 Dollar pro Jahr bestehen lassen wird", erklärte Ekkehard Stadie von der Strategieberatung Simon-Kucher & Partners. Eine Möglichkeit: "Warum sollte man nicht einen Dollar pro Monat zahlen?"

Andere Experten sind davon überzeugt, dass Zuckerbergs Imperium sich an den Daten der WhatsApp-Nutzer vergreifen wird. "Wir gehen davon aus, dass diese Daten auch mit den Facebook-Daten verknüpft werden", sagt Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Das sei schließlich bares Geld wert. WhatsApp-Mitgründer Koum hatte jedoch wiederholt betont, dass es für ihn klare Grenzen beim Umgang mit Nutzerdaten gebe: "Wir machen keine Kompromisse."

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HintergrundÜbernahmen in der Digitalbranche: Instagram: Im April 2012 übernahm Facebook die Foto-App, über die man mit dem Smartphone Fotos schießen, sie mit farbigen Filtern versehen und auf die Plattform hochladen kann. Der Kaufpreis: gut 740 Millionen Dollar.Tumblr: Yahoo kaufte den Blogdienst im Mai 2013 für 1,1 Milliarden Dollar und erhoffte sich Zugang zu jungen Kunden.Skype: Für den Internet-Telefoniedienst blätterte Microsoft 2011 insgesamt 8,5 Milliarden Dollar hin und nutzt ihn in seinem Smartphone-Betriebssystem Windows Phone.YouTube: Google zahlte 2006 für die Videoplattform 1,65 Milliarden Dollar. Werbung auf YouTube trägt einen ordentlichen Teil zu Googles Jahresumsatz bei. dpa

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