Mitgliedschaft suspendiert Europäische Volkspartei zeigt Orbans Partei die gelbe Karte

Brüssel · Die Mitgliedschaft der ungarischen Regierungspartei Fidesz bei den Christdemokraten wird mit sofortiger Wirkung auf Eis gelegt. J

Viktor Orbán machte nicht den Eindruck eines Regierungschefs und Parteivorsitzenden, den man gerade mundtot gemacht hatte. Nur wenige Minuten vorher hatte der Vorstand der Europäischen Volkspartei (EVP) der ungarischen Fidesz am Mittwochabend in Brüssel untersagt, vorerst an Sitzungen der EVP teilzunehmen, eigenes Personal für Positionen vorzuschlagen oder sich sonst wie im Namen der Christdemokraten zu Wort zu melden, da polterte Orbán schon wieder los. Der Antrag auf Ausschluss seiner Partei stamme von „den Linken in der EVP“. Und auch wenn die christdemokratische Parteienfamilie ihm nun ein dreiköpfiges Aufpasser-Gremium ins Land schicke, werde „ich meine Politik nicht ändern“. Keine Einsicht, kein Einlenken – stattdessen kündigte der Ungar an, er werde ein eigenes Team beauftragen, einen Bericht über die Politik in seinem Land anzufertigen. Der Konflikt, das war unübersehbar, geht weiter. Was Manfred Weber, den Spitzenkandidaten der Christdemokraten für die Europawahl veranlasste, darauf hinzuweisen, dass ein Ausschluss der Fidesz aus der EVP „nicht vom Tisch ist, das ist auf dem Tisch“.

Fast drei Stunden hatten die christdemokratischen Spitzenvertreter – darunter auch die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer - mit Orbán gerungen. Deutlich schärfer als zunächst angenommen war der Strafkatalog des Vorstands ausgefallen. Hatte es zunächst noch geheißen, die Mitgliedschaft der Ungarn in der EVP werde für sechs Monate suspendiert, fehlt im mit überwältigender Mehrheit gefassten Beschluss jede zeitliche Begrenzung. Längst ging es nicht mehr nur um die umstrittene Plakataktion mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die Liste der Vorwürfe ist länger: Orbán habe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie abgeschafft, die Unabhängigkeit der Justiz, Presse- und Meinungsfreiheit aufgehoben. Herman Van Rompuy, der frühere EU-Ratspräsident, Hans-Gert Pöttering, einst Präsident des Europäischen Parlamentes, und der frühere österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wurden deshalb von der EVP beauftragt, vor Ort zu beobachten, ob sich Orbán wieder in Richtung der demokratischen Grundwerte bewegt.

Die politischen Gegner sehen jedoch kaum Verbesserungs-Chancen.  „Das Aussetzen der Mitgliedschaft ist der Versuch, über die Wahlen hinaus Zeit zu schinden“, sagte die Grünen-Spitzenkandidatin Ska Keller. Und Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im EU-Parlament, kommentierte: „Ich kann mir leider nicht vorstellen, dass Orbán - ein Mann mit einem Selbstbewusstsein so groß wie ein Möbelwagen – wegen dieser müden Ankündigung sein jahrelang eingeübtes Verhalten ändert.“ Beide Äußerungen wiegen schwer. Denn ein christdemokratischer Wahlsieger Manfred Weber braucht die Unterstützung von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, um zum Kommissionspräsidenten gewählt zu werden.

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