Erfolgreiche Reifeprüfung in Israel

Jerusalem · Verteidigungsministerin von der Leyen ist der erste deutsche Staatsgast in Israel, der an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 50 Jahren erinnert. Dabei zeigt sie, warum viele sie als Top-Kandidatin für die Merkel-Nachfolge sehen.

Es sind fordernde, aber bisher erfolgreiche Zeiten für Ursula von der Leyen (CDU ). Der aktuelle Skandal um den BND liegt eher im Kanzleramt, und bei den Rüstungsaffären hat es die Verteidigungsministerin bislang verstanden, die Aufräumerin vom Dienst zu geben. Nun hat sie auch noch ohne Peinlichkeiten einen wichtigen Staatsbesuch in Israel absolviert, was immer eine Reifeprüfung ist. Aktuell ist die 56-Jährige in der Liste möglicher Nachfolger für Kanzlerin Angela Merkel klar die Nummer eins.

Yad Vashem , die Holocaust-Gedenkstätte, ist ein Muss für jeden deutschen Politiker. Ursula von der Leyen hört zwei Stunden lang konzentriert zu, fragt und unterbricht wenig. In der Halle der Erinnerung legt die Ministerin einen Kranz nieder, danach schreibt sie einen langen Eintrag in das Gästebuch: "Wir dürfen nicht vergessen, und wir dürfen nicht verschweigen", lautet ein Satz. Sie schreibt den Text von einem vorbereiteten Zettel ab. Später trifft sie noch drei Holocaust-Überlebende. Das alles absolviert sie sehr ruhig und würdig.

Von der Leyen ist die erste im Reigen deutscher Staatsbesucher, die sich zum 50. Jahrestag der Aufnahme deutsch-israelischer Beziehungen in Jerusalem angesagt haben. Das gibt ihrem Besuch auch in Israel einen gewissen Stellenwert, obwohl das Land gerade sehr mit der komplizierten Regierungsbildung beschäftigt ist. Es ist ein Zeichen besonderer Achtung, dass der Premierminister, Benjamin Netanjahu , dessen Ebene gewöhnliche Verteidigungsminister sonst nicht sind, sie zum Gespräch empfängt. Aber Deutschland hilft Israel seit langem militärisch. Parallel zum Besuch wird in Jerusalem ein Firmenvertrag über die Lieferung von vier Korvetten unterzeichnet, Wert rund 450 Millionen. Berlin zahlt ein Drittel. Und vier der sechs deutschen U-Boote der Dolphin-Klasse sind auch schon ausgeliefert; subventioniert mit einer Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt. Verteidigungsminister Moshe Ya'alon nennt die Deutschen ehrliche Freunde Israels.

Von der Leyen sagt, für Deutschland sei die Sicherheit Israels Staatsräson und wiederholt damit einen Satz Angela Merkels. Zum Nahost-Friedensprozess äußert sie sich bei ihrer Visite kaum. Man merkt, dass das nicht ihr Feld ist. Nur als Ya'alon das Atomabkommen mit dem Iran heftig kritisiert, wird sie offensiv: "Vorausgesetzt, die Kontrollen stimmen, ist ein solcher Vertrag mit Blick auf Israels Sicherheit besser als keinerlei Transparenz und weitere Sanktionen."
Entschlossen zu führen

Von der Leyen ist mit großem Pressetross angereist - 26 Begleitjournalisten, so viele nimmt nicht einmal die Kanzlerin mit. Und überall gibt sie Interviews. Sie will erkennbar "bella figura" machen. Auf der Fregatte "Karlsruhe" bietet sich dafür die beste Gelegenheit. Das Schiff liegt seit einer Woche in Haifa, die Besatzung ist als "Botschafter in Blau" ausgeschwärmt in Schulen und Familien, um die deutsch-israelische Freundschaft mit Leben zu füllen. Von der Leyen gibt auf dem Hubschrauberdeck einen Empfang für Militärs und Honoratioren und sagt über den ersten Austausch von Botschaftern gestern vor 50 Jahren: "Was für eine Geste, was für ein starkes Zeichen des Vertrauens."

Von der Leyen ist, das spürt man, entschlossen zu führen. Intern bekommen das derzeit all jene zu spüren, die geschlampt haben, als die Schwächen des Sturmgewehrs G36 bekannt wurden, oder die das gar vertuschen wollten. Der zuständige Abteilungsleiter wurde entlassen, jetzt wird das Controlling systematisch überprüft. Im eigenen Amt liegen die größten Risiken und Widerstände, weiß die ehrgeizige Politikerin. Ist all das nur eine Generalprobe für höhere Aufgaben? Offiziell weist von der Leyen Kanzlerin-Ambitionen natürlich weit von sich. Doch auf dem Hinflug nach Tel Aviv rutscht ihr doch ein verräterischer Satz heraus: "Das Politikfeld, das ich im Augenblick verantworte." Im Augenblick Verteidigungsministerin. Da geht noch mehr.
Deutschland und Israel würdigen ihr "Wunder"

Enge Partnerschaft soll ausgebaut werden - Gauck und Rivlin warnen vor Antisemitismus

Deutschland und Israel haben zum 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen die ungewöhnlich enge Partnerschaft beider Länder gewürdigt. Diese soll weiter ausgebaut werden. Bundespräsident Joachim Gauck bezeichnete die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte als "Wunder". Dies sei dem geschenkten Vertrauen der Israelis gegenüber den Deutschen zu verdanken. Aus einer Partnerschaft "wurde allmählich eine tiefe Freundschaft". Gauck bekräftigte: "Wir werden nicht zulassen, dass das Wissen um die besondere historische Verantwortung verblasst." Es sei aber auch richtig, dass beide Seiten "längst viel mehr verbindet als die schmerzvolle Geschichte". Deutschland und Israel stünden für die gleichen Werte ein: Freiheit, Demokratie und die universellen Menschenrechte.

Israels Präsident Reuven Rivlin mahnte: "Wir müssen in die Zukunft schauen, aber aus der Vergangenheit lernen." In einem gemeinsamen Interview warnten die beiden Präsidenten vor Antisemitismus . "In der gesamten freien Welt - und vor allem Europa angesichts seiner gar nicht so fernen Vergangenheit - sollten die Alarmglocken ertönen", sagte Rivlin der "Bild" und dem israelischen Blatt "Jediot Achronot". Gauck meinte, auch in Deutschland gebe es "teils als Kritik an Israel verbrämten, teils offenen Antisemitismus ".

Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte indessen die umstrittenen Waffenlieferungen an Israel mit Deutschlands besonderer Verantwortung gegenüber dem jüdischen Staat. "Wir glauben, dass Deutschland Israel besonders unterstützen muss", sagte sie. Zugleich sprach sie sich für eine Nahost-Friedenslösung mit einem eigenen Palästinenserstaat aus. "Wir wollen, dass alle dort friedlich miteinander leben." dpa/kna

Zum Thema:

Deutschland und Israel sind trotz der Vernichtung von Millionen Juden unter dem Nazi-Regime heute enge Partner. Zahlen und Fakten: Deutschland steht für das Existenzrecht des Staates Israel ein, kritisiert aber die Siedlungspolitik und tritt für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt Israels mit den Palästinensern ein. Seit 2008 jährlich Regierungskonsultationen. 1955 reiste die erste deutsche Jugendgruppe nach Israel. Seitdem haben etwa 700 000 Jugendliche an bilateralen Begegnungsprojekten teilgenommen. Derzeit gibt es etwa 700 gemeinsame Forschungsprojekte. Deutschland ist Israels wichtigster Wirtschaftspartner innerhalb der EU und drittwichtigster weltweit nach den USA und China. Israel ist Deutschlands zweitgrößter Handelspartner im Nahen und Mittleren Osten. Jüdische Gemeinden in Deutschland haben mehr als 100 000 Mitglieder. 2014 machten etwa 189 000 Deutsche in Israel Urlaub. Israel und Deutschland haben mehr als 100 Partnerschaften zwischen Städten, Gemeinden und Landkreisen. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort