Nach Rücktritt Erdogan stärkt Özil den Rücken

Berlin · Applaus bekommt Mesut Özil vor allem aus der Türkei. In Deutschland sind die Gefühle und die Aussagen gemischter. Doch eines steht fest: Die DFB-Spitze steht jetzt gewaltig unter Druck.

Nach seinem Rücktritt aus der Nationalelf bekam Mesut Özil einen Anruf von Erdogan höchstpersönlich.

Nach seinem Rücktritt aus der Nationalelf bekam Mesut Özil einen Anruf von Erdogan höchstpersönlich.

Foto: dpa/Michael Probst

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat Mesut Özil nach dessen Rücktritt aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Medienberichten zufolge seiner Unterstützung versichert. Mit einem von ihm häufig benutzten Ausdruck machte Erdogan in einem Telefonat deutlich, dass Özil sich zur Türkei bekannt habe. Özils Erklärung und Haltung seien vollkommen „regional und national“, sagte Erdogan gestern vor Journalisten in Ankara. „Ich küsse seine Augen.“ Rassismus gegen Özil sei nicht zu akzeptieren. Bereits kurz nach Özils Rücktritt am Sonntagabend hatten türkische Regierungspolitiker den Schritt des Spielers begrüßt.

Özil hatte in seiner Erklärung Rassismus-Erfahrungen angeprangert und unter anderem kritisiert, Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hätten seine türkischen Wurzeln nicht respektiert. „Eine rassistische Einstellung gegenüber einem jungen Mann, der der deutschen Nationalmannschaft so sehr alles von sich gegeben und zu dessen Erfolg beigetragen hat“, sei nicht zu akzeptieren, sagte Erdogan der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge. Die Angriffe hätten sich auch gegen Özils Religion gerichtet. Deutschland ertrage nicht, dass er sich mit den türkischstämmigen Fußballern habe fotografieren lassen.

Recep Tayyip Erdogan, Staatspräsident der Türkei.

Recep Tayyip Erdogan, Staatspräsident der Türkei.

Foto: dpa/Burhan Ozbilici

Özil und sein Mitspieler in der Nationalmannschaft, Ilkay Gündogan, hatten sich vor der Fußball-Weltmeisterschaft und im türkischen Wahlkampf mit Erdogan fotografieren lassen. Die von Erdogans Partei veröffentlichten Bilder zogen in Deutschland rasch heftige Kritik nach sich. Auf dem Trikot, das Gündogan an Erdogan überreicht hatte, stand handschriftlich über der Signatur auf Türkisch: „Für meinen verehrten Präsidenten – hochachtungsvoll“.

Außenminister Heiko Maas (SPD) rief zum Kampf gegen Fremdenhass auf. „Unabhängig vom Fall Özil ist völlig klar: Wir müssen uns jeder Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sehr entschlossen entgegenstellen“, sagte Maas den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Der außenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Armin-Paul Hampel, teilte mit, man müsse Fußballern wie Özil beinahe dankbar sein: Nichts „hätte die Integrationslüge überzeugender zum Platzen bringen können.“ Die von „Funktionseliten der bundesdeutschen Altparteien propagierte Institution einer doppelten Staatsbürgerschaft“ sei krachend gescheitert, sagte Hampel. In Özils Brust könnten keine zwei Herzen schlagen. „Entscheidungen sind gefragt, aber keine doppelten Staatsbürgerschaften!“ Die Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen, Serap Güler (CDU), zeigte sich besorgt. Dass ein Nationalspieler zurücktritt, weil er anderen Rassismus vorwirft, sei für die Integrationspolitik „ein fatales Signal“.

Derweil wächst der Druck auf den Deutschen Fußball-Bund und Präsident Reinhard Grindel. „Ich glaube, das Krisenmanagement des DFB war in dem konkreten Fall suboptimal“, sagte Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. „Das hätte man an vielerlei Stellschrauben anders und auch besser machen können.“

DFB-Chef Grindel steht besonders stark in der Kritik. Laut einer Umfrage des Nachrichtenportals t-online.de spricht sich die Mehrheit der Deutschen für seinen Rücktritt aus. Auf die Frage, ob er zurücktreten solle, antworteten 49,7 Prozent der 5569 Befragten mit „Ja, auf jeden Fall“ oder „Eher ja“. Nur 36,6 Prozent sind dagegen und sagten „Eher nein“ oder „Nein, auf keinen Fall“. Nur 13,7 Prozent der Befragten gaben an, in dieser Frage unentschieden zu sein.

Grindel hat sich bisher nicht selbst zu Wort gemeldet. Für die sportpolitische Sprecherin der FDP, Britta Dassler, legt der Rücktritt Özils offen, „dass der DFB den Herausforderungen einer modernen Einwanderungsgesellschaft nicht gewachsen“ sei. Daher sei nun der richtige Zeitpunkt für eine Debatte, „wie der größte Fußballverband der Welt mit solchen Fragen in Zukunft umgehen“ wolle. Dassler betont: „Auch personelle Konsequenzen dürfen beim DFB nicht ausgeschlossen sein.“ An einer Auseinandersetzung mit dem Fall führt für den DFB wohl kein Weg vorbei.

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