„Er hat alles verloren“

Augsburg · Einst war Georg Schmid in Bayern einer der mächtigsten CSU-Politiker. In der „Verwandtenaffäre“ verlor er alle Posten und sein Ansehen. Nun ist er ein Angeklagter und hofft auf eine Bewährungsstrafe unter einem Jahr.

Ihn traf die "Verwandtenaffäre" des Bayerischen Landtags mit voller Wucht: Georg Schmid (61), ehemals Staatssekretär im Innenministerium und Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion muss wegen Sozialversicherungsbetrug und Steuerhinterziehung seit gestern die Angeklagtenbank der Augsburger Strafjustiz drücken. Sein Mandant habe "alles, was er sich in seinem Leben aufgebaut hat, verloren", sagte Verteidiger Nikolaus Fackler in einer zu Prozessbeginn abgegebenen Erklärung. Nach Händeschütteln war dem angeklagten Politiker, der wegen seiner Jovialität den Spitznamen "Schüttelschorsch" trägt, gestern nicht zumute. Selbst äußerte sich Schmid am ersten Tag überhaupt nicht, sondern ließ seinen Verteidiger sprechen.

17 CSU-Landtagsabgeordnete und einige der Opposition waren im April 2013 dabei ertappt worden, dass sie immer noch Familienangehörige als Mitarbeiter auf Kosten des Steuerzahlers beschäftigten, obwohl dies seit 2000 eigentlich untersagt war. Sie konnten sich dabei auf eine großzügige "Übergangsregelung" berufen. Das machte zwar keinen guten Eindruck, war aber formal Rechtens. Einige der "Familienunternehmer" behielten sogar ihre Posten als Minister und Staatssekretäre im Kabinett von Horst Seehofer (CSU ), nachdem sie auf dessen Druck hin flugs ihre Arbeitsverträge mit Ehefrau oder Kindern aufgelöst hatten.

Bei Georg Schmid allerdings, der wenige Tage nach dem Bekanntwerden der Affäre als Fraktionschef zurücktrat, wurden Staatsanwalt und Steuerfahndung aktiv. Er hatte sich seit 1991, also 22 Jahre lang, als Mitglied des bayerischen Parlaments vertraglich der Dienste des als eigenes Unternehmen angemeldeten "Schreibbüros" seiner Ehefrau Gertrud versichert, der er dafür monatlich bis zu 5500 Euro aus der Staatskasse überweisen ließ. Im Unterschied zu seinen Kollegen führte er für sie keine Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge ab, sondern behandelte sie als selbstständige Unternehmerin, die mit ihrem "Schreibbüro" auch die Angelegenheiten des Wahlkreisbüros Georg Schmid managte. In Wirklichkeit sei sie scheinselbstständig gewesen, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. In den 22 Jahren sei der Rentenversicherung so ein Schaden von 348 000 Euro entstanden. Außerdem habe Schmid dem Fiskus Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von knapp 136 000 Euro vorenthalten. Im Vorfeld des Prozesses hatten Schmids Anwälte versucht, das öffentliche Tribunal durch einen "Deal" zu entschärfen. Dies gelang nur bei Schmids Ehefrau, deren Mitwirkung mit einem Strafbefehl über 13 200 Euro geahndet wurde.

Der Angeklagte hatte schon vor dem Prozess zwar 450 000 Euro an die Rentenversicherung zur Wiedergutmachung des Schadens überwiesen, dies bedeute aber kein Schuldeingeständnis, bekräftigte Verteidiger Fackler. Tatsächlich hatten die Schmids ihre Rechtskonstruktion immer wieder mit dem zuständigen Finanzamt Donauwörth abgestimmt, ohne dass die Behörde Bedenken erhoben hätte. Auch das Landtagsamt, das für die Abrechnung der Mitarbeiterpauschalen der Abgeordneten zuständig ist, hatte nie Einspruch gegen Schmids Praktiken erhoben.

Nicht für Schmids Version sprachen allerdings dessen Äußerungen in der Fernsehsendung "Kontrovers" des Bayerischen Fernsehens. Nach Bekanntwerden der Affäre hatte Schmid in einem Interview mitgeteilt, dass er das "Vertragsverhältnis, Arbeitsverhältnis mit meiner Frau" umgehend gekündigt habe. Was ein "Arbeitsverhältnis" ist, müsste Schmid, der Jurist ist, klar gewesen sein. Der einzige Fehler seines Mandanten sei gewesen, dass er die Konstruktion nicht mit der Clearingstelle der Rentenversicherung abgesprochen habe, sagte Verteidiger Fackler. Dafür habe der ehemalige bayerische Spitzenpolitiker schon schwer büßen müssen. Er habe mittlerweile alle politischen Ämter niedergelegt und leide seit zwei Jahren unter der medialen Berichterstattung und "Vorverurteilungen". Sollte er zu einer Freiheitsstrafe von mehr als elf Monaten verurteilt werden, werde er auch die Pensionen als Beamter und die Ruhestandsbezüge als Abgeordneter verlieren.

Meinung:

Auf einen wird alles abgeladen

Von SZ-MitarbeiterRalf Müller

Georg Schmid war ein Großverdiener. Zu den Bezügen als Landtagsabgeordneter erhielt er noch üppige Draufgaben für seine Funktion als Fraktionschef. Und auch die ihm zustehende Mitarbeiterpauschale sollte möglichst noch in der Familie bleiben. Das sieht nach Raffgier aus, und das ist es auch. Allerdings ist es schon erstaunlich, dass 22 Jahre lang Finanzamt und Landtagsamt kein Problem darin sahen, dass Schmid seine Ehefrau als "Scheinselbstständige" beschäftigte. Es ist unfair, Schmid jahrzehntelang grünes Licht zu geben und dann den Staatsanwalt auf ihn zu hetzen. Eigentlich haben sich diejenigen, die über viele Jahre hinweg die Schmidschen Konstruktionen abnickten, mitschuldig gemach. Dass vor dem Amtsgericht Augsburg nur einer steht, auf den alles abgeladen werden soll, ist auch nicht gerade gerecht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort