Enges Rennen ums Präsidentenamt

Der Reichstag erstrahlte gestern am späten Abend in einem besonderen Glanz: Das Gebäude wurde von 400 Leuchten in warmes, weißes Licht gehüllt. Eine Illumination des Lichtkünstlers Michael Batz zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik

Der Reichstag erstrahlte gestern am späten Abend in einem besonderen Glanz: Das Gebäude wurde von 400 Leuchten in warmes, weißes Licht gehüllt. Eine Illumination des Lichtkünstlers Michael Batz zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik. Wer hingegen heute im Reichstag strahlen wird, ist noch offen: Horst Köhler oder Gesine Schwan, die Bundesversammlung aus 1224 Wahlmännern und -frauen wird den neuen Bundespräsidenten wählen.

Mit Beginn der Woche wurden die gut gepolsterten, blauen Sessel der 612 Abgeordneten samt Tischen im Plenarsaal abgeschraubt und durch dicht an dicht stehende schwarze Stuhlreihen ersetzt. Es wird eng im Reichstag. Auch rechnerisch: In den ersten beiden Wahlgängen muss die absolute Mehrheit der 1224 Mitglieder für einen der Kandidaten stehen, damit er gewählt ist - das wären 613 Stimmen. CDU und CSU stellen 497 der Wahlmänner, die FDP 107, die Freien Wähler aus Bayern zehn, wenn also alle geschlossen für Köhler stimmen, macht das 614. Er wäre gewählt.

Im anderen Lager verfügen die Sozialdemokraten über 418, die Grünen über 95 und die Linken über 90 Delegierte. Die Linke schickt den Schauspieler Peter Sodann ins Rennen, der aber als chancenlos gilt. Zöge er im Laufe der Wahlgänge seine Kandidatur zurück, könnte womöglich Köhlers Gegenkandidatin Gesine Schwan mit den Stimmen der Linken rechnen. Die SPD-Frau hofft dann vor allem auf einen dritten Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit reicht. In der Bundesversammlung vertreten sind auch vier Rechtsextreme, die den Liedermacher Frank Rennicke als Kandidaten aufgestellt haben, sowie ein Delegierter des Südschleswigschen Wählerverbandes und zwei fraktionslose Abgeordnete des Bundestages.

Köhler hat nicht nur rechnerisch die besseren Chancen. Es gilt auch als wahrscheinlicher, dass der Amtsinhaber einige Stimmen aus dem anderen Lager abziehen kann und nicht Schwan. Die Wahl ist geheim, insofern können die Spitzen der Fraktionen tatsächlich nicht sicher sein, dass jeder Wahlmann wie abgesprochen sein Kreuzchen beim richtigen Namen macht. In der Bundesversammlung könnte zudem die Stunde der politischen Revanche durch so manchen Abgeordneten schlagen. Sollten tatsächlich drei Wahlgänge notwendig werden, rechnet die Bundestagsverwaltung mit fast acht Stunden Sitzung - pro Wahlgang zweieinhalb Stunden, weil jeder Wählende einzeln aufgerufen wird. "Für Essen und Trinken ist gesorgt", beruhigt ein Sprecher.

Im Laufe des Freitags trudelten die Mitglieder der Bundesversammlung in Berlin ein, und prompt bekamen sie eine Rundumbetreuung. Am Nachmittag gab es seitens der Fraktionen die ersten Zählappelle, dann folgten Fraktionssitzungen. Um den Gemeinschaftssinn zu pflegen, wurden am Abend von jeder Seite große Empfänge und Feste gegeben. Heute wird ebenfalls noch einmal nachgeschaut, ob jeder an Bord ist, dann finden erneut Fraktionssitzungen statt, bevor Bundestagspräsident Norbert Lammert um zwölf Uhr die Wahl einläutet. Ist der neue Präsident gewählt, wird er einen für alle offenen Empfang unter der Reichstagskuppel geben, abends sind schon etliche Interviews geplant.

Promi-Paradiesvögel wie CSU-Wahlfrau Gloria von Thurn und Taxis, die 2004 anstelle von Köhler einfach Schwan wählte, sucht man diesmal vergebens. Auch die CDU schickt nur sichere Kantonisten in die Wahlkabine, wie die frühere Boxweltmeisterin Regina Halmich oder Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Die SPD hat unter anderem Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel, die Schauspieler Leonard Lansink ("Wilsberg") und Ottfried Fischer aufgeboten. Nur Handball-Bundestrainer Heiner Brand gilt bei den Genossen als wankelmütig. Für die Grünen soll die Schauspielerin Jasmin Tabatabai ("Elementarteilchen") mit abstimmen - sie ist hoch schwanger. Für die Linke wählt Uwe Steinle ("Polizeiruf 110") mit.</initial_mono></text>

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