Spannung vor Endauszählung Hessens Zukunft kann an 74 Stimmen hängen

Wiesbaden · Durch die politischen Debatten nach der Hessen-Wahl geistert eine Zahl. Es ist die 94. Mit so vielen Stimmen liegen die Grünen vor der SPD an Platz zwei – nach dem vorläufigen Wahlergebnis wohlgemerkt.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Reihenfolge mit dem endgültigen Ergebnis noch verändert und dann die Sozialdemokraten die Nase vor den Grünen haben. Im Poker um mögliche Koalitionen könnten dadurch die Karten noch einmal neu gemischt werden.

Im Moment läuft alles darauf hinaus, dass die schwarz-grüne Regierungskoalition weitermacht, wenn auch mit hauchdünner Mehrheit von nur einem Sitz. Es gibt keine wirklichen Alternativen. Schwarz-Rot ist zwar rechnerisch möglich, aber unwahrscheinlich. Mit den Erfahrungen der Groko im Bund wäre eine solche Konstellation weder dem Wähler noch der eigenen Partei vermittelbar.Nach dem vorläufigen Wahlergebnis wäre auch ein Ampel-Bündnis mit Grünen, SPD und FDP möglich gewesen. Dank ihrer 94 Stimmen Vorsprung könnten die Grünen den Ministerpräsidenten stellen. Damit ist diese Option allerdings aus dem Rennen, denn die FDP lehnt es kategorisch ab, für einen grünen Regierungschef die Hand zu heben. Aber wie sähe es aus, wenn nach dem endgültigen Wahlergebnis doch die SPD die Nase vorne hat und den Ministerpräsidenten stellen könnte? Auf eine entsprechende Frage sagte die hessische FDP-Generalsekretärin Bettina Stark-Watzinger am vergangenen Donnerstag, dies sei „Spekulation“. Vor der Wahl hatten die Liberalen stets verlautet, für ein Ampel-Bündnis unter einem SPD-Ministerpräsidenten grundsätzlich offen zu sein.

Sollte sich das Wahlergebnis doch noch ändern und die SPD würde zweitstärkste Kraft in Hessen, dann könne sich seine Partei Sondierungsgespräche mit SPD und den Grünen vorstellen, sagte der frisch gewählte FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, René Rock, der „Frankfurter Neuen Presse“. Er zweifele allerdings an der Bereitschaft der Grünen, in eine Ampel unter Führung der SPD einzutreten.

Wegen vieler Überhang- und Ausgleichsmandate wird der künftige Landtag in Wiesbaden wohl auf 137 Sitze anwachsen. Die CDU kann nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 40 Abgeordnete stellen, die Grünen und die SPD jeweils 29. Die AfD hat 19 Sitze errungen, die FDP 11 und die Linken 9. Derzeit arbeitet Landeswahlleiter Wilhelm Kanther an den endgültigen Zahlen, die am 16. November verkündet werden sollen. Dabei wird besonders auf Daten geschaut, die unplausibel erscheinen. Wie beispielsweise im Bezirk 38004/Gruneliusschule im Frankfurter Stadtteil Oberrad: Hier kommt die CDU auf einen Zweitstimmen-Anteil von lediglich 6,9 Prozent, wie aus dem von der Stadt Frankfurt veröffentlichen vorläufigen Ergebnis hervorgeht. In den beiden Nachbarbezirken erhielten die Christdemokraten hingegen 20,4 und 23,6 Prozent.

Nach den Worten von Kanther kann es bei der Überprüfung aller 55 Wahlkreise noch zu Verschiebungen kommen. Allerdings weiß niemand, in welche Richtung oder ob womöglich die Sitzverteilung im Landtag ins Wanken kommen könnte.  Sollte die knappe Mehrheit von Schwarz-Grün mit dem endgültigen Ergebnis plötzlich weg sein – dann geht der Sondierungspoker ohnehin von vorne los.

Bei der Landtagswahl 2013 waren es beim amtlichen Endergebnis rund 2100 gültige Stimmen mehr als noch am Wahlabend. Alle Zweitstimmenergebnisse der fünf Parteien, die in den Landtag einzogen, veränderten sich jeweils um wenige hundert Stimmen nach oben. Die SPD etwa hatte fast 600 Stimmen mehr, die Grünen verzeichneten ein Plus von etwa 300 Stimmen. Damals allerdings waren die Abstände zwischen den Parteien so groß, dass sich an der Reihenfolge nichts änderte.

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