Einer gegen alle

Washington · Justin Amash (33) organisiert Widerstand gegen die NSA-Schnüffeleien und hofft im Repräsentantenhaus auf einen Sieg mit Symbolwert. Der Republikaner will das hemmungslose Sammeln von Daten im Inland unterbinden.

Als eine Art Einzelkämpfer positioniert sich derzeit Justin Amash (33). Der junge Konservative aus Michigan will das Sammeln von Telefondaten amerikanischer Bürger durch den Geheimdienst NSA stoppen. Amash hat dafür einen Zusatz zu dem 512,5 Milliarden schweren Verteidigungsetat formuliert, der die umstrittene Sektion 215 des "Patriot Act" (Gesetz zum Kampf gegen den Terror) auf seine ursprüngliche Intention begrenzen würde. Die Schlapphüte könnten das Gesetz dann nicht mehr als Blankovollmacht interpretieren, nicht nur im Ausland, sondern auch bei amerikanischen Bürgern hemmungslos Daten zu sammeln.

Der aufmüpfige Hinterbänkler erfuhr bei freiheitlich gesinnten Republikanern und liberalen Demokraten so viel Zuspruch, dass er die Führer im Kongress zu einem seltenen Schulterschluss mit dem Weißen Haus bewegte: "Wir lehnen den gegenwärtigen Versuch im Repräsentantenhaus ab, übereilt eines der Anti-Terror-Instrumente unserer Geheimdienste zu demontieren", erklärte Präsidenten-Sprecher Jay Carney mit sorgenvoller Mine. Der Zusatz sei "unausgegoren" und "überstürzt". Ähnlich argumentiert der republikanische Vorsitzende des Geheimdienste-Ausschusses Mike Rogers. "Jede Änderung sollte durch den regulären Gesetzgebungsprozess gehen, damit die Konsequenzen verstanden und umfassend diskutiert werden können." Aus Sorge um den PR-Schaden eilte NSA-Chef Keith Alexander höchst persönlich auf den Capitol Hill, um zaudernde Gesetzgeber davon abzubringen, den Vorstoß zu unterstützen.

Doch Amash lässt sich nicht unterkriegen. "Das verfassungswidrige Spionieren der NSA gegen alle Amerikaner war eben nicht das Ergebnis eines informierten, offenen und abwägenden Prozesses”, entgegnet der Aufrührer dem Vorwurf, wie ein Elefant durch den Porzellanladen zu poltern. Der freiheitlich gesinnte Jung-Republikaner genießt die ungewohnte Aufmerksamkeit sichtbar. Aus seinem Twitter-Konto liefert er einen fortlaufenden Kommentar zu seiner Graswurzel-Revolution.

John Boehner, Sprecher des Repräsentantenhauses, verbannte den Amash-Zusatz auf Platz 97 und damit so ziemlich ans Ende der Debatte über den Verteidigungshaushalt, der auch das Budget des NSA enthält. Die Redezeit begrenzte er auf zwanzig Minuten. Es könnte dennoch spät werden, bevor klar wird, ob Amash die Stimmen für die Begrenzung der NSA-Schnüffeleien gegen Amerikaner erhält.

Wenn es dazu kommt, wäre dies ein symbolischer Erfolg. Das Ende der völligen Gleichgültigkeit, mit der große Teile des politischen Washington auf die Enthüllungen Edward Snowdens bisher reagiert haben. "Ein bisschen Widerstand, aber nicht viel mehr", meint eine erfahrene Kongress-Beobachterin, die auf die Kräfteverhältnisse im US-Senat verweist. Dort gibt es eine breite Mehrheit aus Republikanern und Demokraten, die den Zusatz niemals beschließen wird. Zudem könnte Präsident Barack Obama ein Veto einlegen.

Jüngste Umfragen zeigen, dass inzwischen mehr Amerikaner Amashs Unbehagen teilen als zu Beginn der NSA-Affäre. Drei von vier Befragten einer Erhebung der "Washington Post" betrachten die Sammlung der Telefondaten als Eingriff in die Privatsphäre und jeder Zweite sieht sich davon selber betroffen.

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