Moschee in Sulzbach Eine Moschee im Herzen von Sulzbach

Sulzbach/Saarbrücken · Angst, Drohungen und Gerüchte: Der Bau eines Gebetshauses im Zentrum der 18 000-Einwohnerstadt spaltet die Bevölkerung. Freie Wähler und AfD sind dagegen, die muslimische Gemeinde spricht von Diffamierung. Doch worum geht es eigentlich genau? Ein Überblick.

 Die Vorsitzenden der Muslimischen Gemeinde, Burhan Yagci und Muharrem Cetinkaya (v.l.), zeigen vor der Alten Post die Pläne für den Moscheebau.

Die Vorsitzenden der Muslimischen Gemeinde, Burhan Yagci und Muharrem Cetinkaya (v.l.), zeigen vor der Alten Post die Pläne für den Moscheebau.

Foto: Iris Maria Maurer

Bretter, Schubkarren, Kabel. Daneben Eimer, die unter Metallgestellen auf Nachschub warten. Es riecht nach kaltem Beton, nach Plastikdrähten, nach Baustelle. Vorsichtig bahnen sich Burhan Yagci und Muharrem Cetinkaya ihren Weg durch das 800 Quadratmeter große Grundstück im Herzen von Sulzbach. Ihre langen Bärte bewegen sich in vertrautem Grau-Weiß. Die beiden Vorsitzenden der Muslimischen Gemeinde Saarland (MGS) gewähren einen Einblick ins Gebäude der Alten Post, wo seit einigen Monaten ein muslimisches Gebetshaus entsteht.

Ab kommendem Jahr sollen dort bis zu 195 Muslime ihren Glauben leben können. Wann genau, das wissen Yagci und Cetinkaya noch nicht. „Die Bauarbeiten sind in vollem Gange.“ Noch gebe es offene Fragen und nicht erfüllte Brandschutzauflagen. Noch müssen Handwerker ein- und ausgehen. Bis die Gemeinde ihre neue Moschee in Betrieb nimmt, nutzt sie die wesentlich kleineren Räume in der Sulzbachtalstraße. „Unsere Türen sind immer offen“, sagt der 31-Jährige Yagci. Er kennt das Misstrauen. „Alle Muslime an den Galgen!“ soll auf zwei Din-A-4-Blättern gestanden haben, die nach Aussagen der MGS im Sommer am Fenster der Alten Post hingen.

Das öffentliche Interesse am Bauvorhaben flammte Anfang Juni dieses Jahres auf. Der SR ließ damals einen besorgten Bürgermeister zu Wort kommen. Der Vorwurf des Sulzbacher Rathauschefs, die MGS schotte sich ab, stehe nicht mehr im Raum, sagt Yagci. Die muslimische Gemeinde habe selbst Bedenken gehabt und deshalb auf Anraten des Architekten zunächst eine Bauvoranfrage an die Untere Bauaufsicht gestellt. Daraufhin habe der Bürgermeister das Vorhaben, dass nach Angaben der Gemeinde 600 000 Euro kosten wird, im Stadtrat vorgetragen. „Die Stadt hatte das Vorkaufsrecht“, sagt Yagci. Doch das habe sie nicht genutzt. Somit lief aus Sicht der MGS alles ordnungsgemäß.

Dass einige das geplante Gebetshaus als Bedrohung wahrnehmen, kann Yagci durchaus nachvollziehen. Schließlich schüre die Berichterstattung Angst. Er spricht von „Gerüchten“ über die Finanzierung des Projekts. Seine Gemeinde betont, sich das Gebetshaus vornehmlich aus eigenen Mitteln zu leisten. Daneben habe es noch eine Einzelspende aus Kuwait gegeben. „Es wurde behauptet, dass diese Einzelperson terroristische Gruppen finanziere. Doch auch der Verfassungsschutz hat dem widersprochen.“

Aus der konservativen Lebensweise machen Cetinkaya und Yagci keinen Hehl. Frauen und Männer sollen künftig über getrennte Eingänge ins Gebetshaus gelangen. „Wir nehmen unsere Religion ernst. Wir beten fünfmal am Tag. Was das mit Politik zu tun haben soll, wissen wir nicht“, sagt Yagci. Beide sehen nichts Verwerfliches darin, für ihre Religion zu werben. „Wir sind keine Salafisten. Das ist Diffamierung und Dämonisierung. Wenn wir irgendwas zu verbergen hätten, würden wir nicht ins Stadtzentrum gehen.“

Das sehen die Freien Wähler in Sulzbach anders. Der Verein mobilisiert seit Juni gegen die geplante Gebetsstätte in der knapp 18 000-Einwohner-Stadt. Vergangenen Donnerstag reichte die Partei im Stadtrat einen Antrag ein, um die Baugenehmigung noch einmal von einem Juristen überprüfen zu lassen. Die Mehrheit lehnte den Antrag ab. „Das ist eine Salafisten-Moschee. Wir werden vom Islam unterwandert“, sagt der Vorsitzende der Freien Wähler, Bernd Schlachter. Mit der MGS persönlich Kontakt aufgenommen habe man nicht. Trotz der Absage aus dem Stadtrat wolle man weiterhin gegen das Gebetshaus vorgehen. Schließlich sei die MGS „gewaltbereit“, und das werde man nicht tolerieren. „Wir werden das weiter beobachten und einen Verein gründen, um uns gegen das Projekt zur Wehr zu setzen“, sagte Schlachter gestern gegenüber der SZ.

Die Kritiker befürchten, dass das Gebetshaus wegen der räumlichen Dimension zu einem Anziehungspunkt für Hassprediger aus allen Teilen der Großregion werden könnte. Derzeit befindet sich das größte und meistbesuchte Gebetshaus im Saarland in Burbach. Dort kommen bis zu 700 Muslime zum Freitagsgebet. Das Sozialministerium schätzt die Zahl der Moscheen im Saarland auf 28. Asgar Abbaszadeh, Saarbrücker Berater für interkulturelle Sensibilisierung und interreligiösen Dialog, gibt jedoch zu bedenken, dass die muslimischen Gebetshäuser seiner Ansicht nach „nirgendwo richtig erfasst werden“. Auch deshalb, vermutet Abbaszadeh, gebe es viel Unwissen über deren Aktivitäten.

Diesen Eindruck bestätigt auch eine Umfrage unter Anwohnern von Sulzbach. Einige äußern Ängste vor der muslimischen Gemeinde, ohne jemals mit ihr in Kontakt getreten zu sein. „Ich traue der Sache nicht“, sagt die Rentnerin Karin Michel. „Die meisten Gemeinden verschließen sich“, klagt der 20-jährige Deutsch-Italiener Francesco Bruno. Ein anderer älterer Herr, der die Sulzbachtalstraße in Richtung Alte Post entlangspaziert, sieht dem Moscheebau dagegen entspannt entgegen. „Das sind Menschen wie ich und du“, sagt Manfred Backes. Die zweifache Mutter Sarah Müller sieht sogar eine Chance für mehr Kontakt zwischen den Kulturen: „Ich finde es gut, dass das Gebetshaus entsteht. Dann bekommt die Gemeinde endlich etwas Vorzeigbares. Und wir könnten dann beim Zuckerfest mitfeiern.“

Von dieser optimistischen Haltung sind die Freien Wähler weit entfernt. Sie verweisen darauf, dass die MGS vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Und tatsächlich: Seit 2011 haben die saarländischen Verfassungsschutzbehörden ein Auge auf die Aktivitäten in Sulzbach. Die Begründung des Landesamtes: Die Gemeinde sei „als salafistisch dominiert eingestuft“. In der schriftlichen Stellungnahme auf SZ-Anfrage heißt es: „Da der Salafismus (auch in seiner nicht gewaltorientierten Erscheinungsform) im Widerspruch zu den Kernelementen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, ist seine Beobachtung Ausfluss des gesetzlichen Auftrags der Verfassungsschutzbehörden.“ Der Zusatz: „Was nicht heißt, dass alle Besucher der MGS auch tatsächlich Salafisten sind.“ Auch Verfassungsschutz-Chef Helmut Albert betont, dass keine Gefahr von der MGS ausgehe. Der gesetzliche Auftrag gebiete es jedoch, Gruppen, bei denen politischer Extremismus vorliegen könne, unter die Lupe zu nehmen. Das gilt auch für Salafisten.

Doch was ist eigentlich ein Salafist? Mit dieser Frage konfrontiert, runzelt Islamwissenschaftler Zakariyya Meißner die Stirn. „Schwierig zu definieren“, setzt er an. Es handele sich nicht um eine geschlossene Lehre innerhalb des Islam, denn es gebe sehr viele Strömungen. Seit Anfang 2015 arbeitet Meißner in der Saarbrücker Fachstelle für Antidiskriminierung und Diversity. Sie befasst sich unter anderem mit Salafismusprävention. Niemand bezeichne sich selbst als Salafist, erklärt Meißner. Dennoch gebe es einige Merkmale, die diejenigen gemeinsam hätten, die von anderen als Salafisten gesehen werden: ein starker Rückbezug auf die direkten Nachfahren des Propheten Mohammed, das Propagieren von Freund-Feind-Bildern, der absolute Wahrheitsanspruch, die Behauptung, Muslime würden weltweit bekämpft und müssten sich wehren.

Warum die Muslime in Sulzbach als Salafisten bezeichnet werden, versuche die Fachstelle derzeit noch herauszufinden. Meißner betont, dass es in jeder extremistischen Szene Abwertung und Manipulation gebe. „Wenn du einen Job nicht bekommst, sagen dir die Salafisten, dass es daran liegt, dass du Ali heißt. Und die Rechten sagen dir, dass Ali ihn dir weggenommen hat.“ Derartige Tendenzen habe man in Sulzbach bisher noch nicht beobachtet. Die Fachstelle warnt vor antimuslimischem Rassismus.

Genau den erfährt Burhan Yagci nach eigenen Angaben im Alltag. Beispielsweise wenn ihn Menschen im Bus beäugten oder seiner Frau im Supermarkt „Zurück in eure Länder!“ hinterherzischten. Trotz allem wiederholt er immer wieder sein Bekenntnis zum Grundgesetz.

Doch das reicht seinen Kritikern nicht. Die AfD bezeichnet die geplante Moschee auf ihrer Webseite als „Todesurteil für Sulzbach“. Yagci findet das „lächerlich“. Es werde weder einen Muezzin, noch ein Minarett oder eine Kuppel geben. „Die Moschee soll einen Beitrag zur Integration leisten“, sagt er und bekräftigt die Bedeutung des Gebetshauses für gläubige Muslime: „Viele muslimische Frauen haben sich an uns gewandt, weil sie zu Hause kein Kopftuch tragen dürfen.“ Auch kenne er junge Männer, die sich gerne einen Bart wachsen lassen und daran gehindert würden. „Wir wollen keine Fläche für Populisten bieten. Wir möchten lediglich, dass man sich hier frei fühlt, seine Religiosität auszuüben.“

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