SPD nach der Wahlschlappe Ein schwarzer Tag für die Roten

Berlin · Nach dem historischen Wahldebakel will sich die SPD um Martin Schulz neu aufstellen – in Teilen auch personell.

 Er wollte Angela Merkel ablösen, aber er scheiterte: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz spricht nach der historisch verlorenen Wahl von einem „bitteren Tag“ für seine Partei.

Er wollte Angela Merkel ablösen, aber er scheiterte: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz spricht nach der historisch verlorenen Wahl von einem „bitteren Tag“ für seine Partei.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Das Willy-Brandt-Haus ist zur Zeltstadt erweitert worden. Entlang der SPD-Zentrale sitzen Parteianhänger unter Planen, essen Currywurst und lassen sich das Bier schmecken. Rote Luftballons mit dem Logo „Schulz 2017“ liegen auf den Tischen. Doch viele wurden entweder gar nicht erst aufgeblasen, oder die Luft ist längst raus. Die Szene passt zur verhaltenen Stimmung der allermeisten Gäste. Die Uhr geht langsam auf 18 Uhr zu, da wird auf einem der großen Bildschirme bereits über die zu erwartende Zweistelligkeit der AfD diskutiert. Einige Gesichter verdüstern sich noch mehr. Und das ändert sich auch nicht, als zur vollen Stunde die Balken der ersten Prognose emporschießen. Für die Sozialdemokraten bleiben sie schon zwischen 20 und 21 Prozent stecken. Das ist noch einmal weniger als beim Allzeit-Tief acht Jahre zuvor, als der Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier hieß. Stilles Entsetzen macht sich breit.

Martin Schulz sitzt da bereits seit einigen Stunden in einem Besprechungsraum im dritten Stock mit der engsten Parteiführung und den beiden Ministerpräsidenten Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz) sowie Stephan Weil (Niedersachsen) zusammen, um an Sprachregelungen für das sich abzeichnende Debakel zu feilen. Zwischenzeitlich gibt es sogar Gerüchte, der Kanzlerkandidat könnte den Parteivorsitz hinschmeißen. Unten im prop­penvollen Atrium, das an diesem Wahlabend einem riesigen Fernsehstudio gleicht, macht sich mancher darüber seine eigenen Gedanken. Marius Niespor zum Beispiel, ein Parteimitglied aus Berlin-Zehlendorf, findet, dass nun auch personelle Konsequenzen nötig seien. Auf jeden Fall dürfe die Partei nicht mehr in eine „Groko“ gehen, sagt Niespor. Dieser Tenor bestimmt auch die Debatten an vielen Tischen in den Zelten. Hubertus Heil kommentiert die Wahlniederlage als einer der ersten im Fernsehen: Man werde die Oppositionsrolle annehmen müssen, sagt der Generalsekretär. Das Wahlergebnis sei „kein Regierungsauftrag“. Da nicken sie eifrig vor den Bildschirmen.

Genau auf diese Linie hat sich die Runde im dritten Stock dann auch am Ende verständigt – freilich auch darauf, dass Schulz Parteichef bleiben soll. Als der glücklose Kandidat gut eine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale die Bühne betritt, brandet trotziger Applaus auf. Schulz spricht von einem „schweren und bitteren Tag“ für die SPD, und dass sich die Partei „grundsätzlich neu aufzustellen“ habe. Er empfinde es als „Verpflichtung, diesen Prozess für und mit den Mitgliedern zusammen als Vorsitzender zu gestalten“, ergänzt Schulz. Unmittelbar neben ihm steht Noch-Arbeitsministerin Andrea Nahles und lächelt kurz. Sie könnte Thomas Oppermann im Amt des Fraktionsvorsitzes beerben. Offiziell wird das womöglich an diesem Mittwoch verkündet. Dann will Schulz einen Vorschlag dazu machen. Einen geradezu befreit klingenden Beifall bekommt Schulz schließlich für seine Bemerkung: „Mit dem heutigen Abend endet zeitgleich unsere Zusammenarbeit mit der CDU/CSU“. Viele hoffen, dass sich ihre Partei in der Opposition endlich erneuern kann.

Ein Berliner Genosse, der anfangs ein kleines Schild hochhielt („Nie wieder mit Mutti“) sieht es mit Galgenhumor: „Wir verlieren seit ewigen Zeiten, aber niemand erklärt es so schön wie Martin.“

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