Marx-Jubiläum Ein Schwarzer sieht rot

Trier/Saarbrücken · Wie Thomas Schmitt, ehemaliger CDU-Abgeordneter im Saar-Landtag, als Trierer Kulturdezernent das Karl-Marx-Jubiläum verkauft.

 Ein hölzerner Schattenriss der geplanten Karl-Marx-Statue steht am 01.03.2017 in Trier. Die Volksrepublik China will Trier als Geburtstort von Marx eine riesige Marx-Statue zum 200. Geburtstag des Philosophen in 2018 schenken.

Ein hölzerner Schattenriss der geplanten Karl-Marx-Statue steht am 01.03.2017 in Trier. Die Volksrepublik China will Trier als Geburtstort von Marx eine riesige Marx-Statue zum 200. Geburtstag des Philosophen in 2018 schenken.

Foto: dpa/Harald Tittel

Mit den „Trierischen“ hat er als Kind keine guten Erfahrungen gemacht, im Garten der Großeltern in Körprich. Dort wuchsen an einem Apfelbaum zwei Sorten Früchte. Die kleinen, sauren, das waren die Roten Trierer Holzäpfel. Eigentlich ungenießbar. Und Rot wurde nie seine Farbe.

Jetzt hat Thomas Schmitt (44) einen SPD-Oberbürgermeister als Chef und den weltweit wohl bekanntesten Kommunisten als Schützling: Karl Marx (1818-1883). Denn dessen Geburtstags-Jubiläumsjahr muss der Schwarze Schmitt als neuer Trierer Kultur- und Tourismusdezernent zum Erfolg machen. Hinzu kommt eine als Schlangengrube verschriene Stadt- und Kulturpolitik. Mitten in einer Theaterkrise, die sogar bundesweit für Aufsehen sorgte, übernahm der damalige kulturpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion im Saarland frohgemut, wie man ihn kennt, das Trierer Amt und freute sich darauf, „endlich gestalten“ zu können.

Jetzt sitzt Schmitt in einem eher spartanischen Büro im Rathaus am Augustinerplatz und seufzt tief: „Irgendwo kriselt es immer.“ Schmitt ist nicht nur für das Schöne und Wahre und Antike in Deutschlands ältester Stadt zuständig. Als Chef des Dezernates III beschäftigt ihn neben Kultur auch Tourismus, Stadtmarketing, Sicherheit und Ordnung. Was da heißt: die Weihnachts-Gestaltung der Märkte, die Falschparker-Ahndung oder der Umzug der Berufsfeuerwehr. Die SPD-Fraktion halte ihn mit Anfragen und Aufträgen zu diesen Themen auf Trab, erzählt ­Schmitt, der mittlerweile Mitglied der CDU Trier ist. Der Mann, dem man in der alten Heimat meist sonnig gelaunt begegnete, wirkt angespannt, durcheilt die Rathaus-Flure im Laufschritt. Freizeit ist ein Fremdwort geworden: kein Singen mehr wie früher im Madrigalchor Dillingen, kein Sport. Klar, das ist der Auftaktgalopp. Acht Jahre muss er durchhalten.

Es mag verdienstvoll sein, Betreiber- und Brandschutzprobleme der Europahalle zu lösen. Allerdings fehlen dann Zeit und Energie, um sich mit frischen Farben für das Stadt-Image zu beschäftigen. „Die Dachmarke für Trier – antike Stadt – ist gesetzt, aber die Reduzierung auf immer nur ,olle Steine’, die gefällt den Trierern nicht“, so Schmitt. Man strebe nach Verjüngung, und Schmitt hat auch schon Ideen. Er würde gerne die Clubszene befeuern, das Flair einer Studentenstadt erneuern, denn die Studenten seien im Stadtbild zu wenig präsent. Als Schmitt in Saarbrücken Jura studierte, war das anders. Da fuhr er öfters nach Trier, just weil es dort besonders urige Kneipen wie das „Astarix“ gab, er erlebte die Stadt alles andere als hinterwäldlerisch. Aus dieser Zeit stammen die Kontakte, die es dem saarländischen CDU-Parlamentarier jenseits aller Parteinetze einladend erschienen ließen, seine Karriere in Rheinland-Pfalz fortzusetzen. Trotz der Warnrufe, in Trier hätten Dezernenten eine besonders kurze Halbwertzeit.

Doch Schmitt hat mit Trier nie gefremdelt. Er lebt in einer Mietwohnung in der Trierer Innenstadt und ist jetzt, etwas mehr als sechs Monate im Amt, schon eingebunden  in ein soziales Umfeld. Obwohl ihm mittlerweile manches an der Trierer Mentalität dann doch ein wenig Kopfzerbrechen macht. Dass die Trierer ihre Kulturdenkmäler mögen, ganz anders als die Saarländer, dass hier Gediegenheit und Bürgerlichkeit herrschen, das schätzt er.

Andererseits beobachtet er eine Verhaftung im Eigenen und Bekannten: „Man springt hier nicht auf jeden Zug. Um Trierer zu begeistern, muss man sich sehr anstrengen.“ Alles Unerprobte bedürfe einer intensiven Vermittlung, alles Nicht-sofort-Erfolgreiche werde gekippt, wie etwa die Antikenfestspiele: „Wenn der Trierer zu den Antikenfestspielen geht, dann will er Römersandalen sehen und keine Astronautenanzüge.“ Für „schrilles Regietheater“ seien die Trierer nicht zu haben. Deshalb sei denn auch das krachende Scheitern des Intendanten Karl Sibelius unvermeidbar gewesen, meint Schmitt. Er berief den neuen Theaterchef, doch die Ballettchefin Susanne Linke blieb, und den Totaldurchhänger ihres intellektuellen Tanztheaters in Sachen Besucherzahlen, die muss Schmitt noch eine ganze Weile aushalten. Das Theater scheint bei den Trierern ein ungeliebter Krisenherd, da blutet dem Kulturmann das Herz. Man spürt es, aber zeigen darf er’s nicht.

Ähnlich verhält es sich bei dem für das Karl-Marx-Jubiläumsjahr 2018 an Land gezogenen „Riesen-Marx“: fünfeinhalb Meter groß, vom Chinesen Wu Weishan im Retro-Stil des sozialistischen Realismus gefertigt, ein Geschenk der Volksrepublik China. Das Vorhaben, in der Nähe der Porta Nigra eine der größten Helden-Statuen Deutschlands für den Ideologie-Urvater aller kommunistischen Unrechtsregime zu errichten, führte zu Stadt-Kontroversen und lief nicht eben imagefördernd durch die Republik. Die Sache war eingetütet, bevor Schmitt kam. „Ich war nicht im Kampfgetümmel“, sagt er. „Ich tue mich etwas schwer damit.“

Etwas? Man muss Schmitt besser kennen, um zu ahnen, wie er diesem aus der Zeit gefallenen Monumentalismus gegenübersteht und was er davon hält, dass die Stadt sich ein Denkmal schenken lässt, statt selbst ein Kunstwerk zu beauftragen. Er fügt sich. Größtmögliche Disziplin in der Diktion bei eben solcher persönlichen Reserviertheit? Wie beim Marx-Denkmal ist der neue Kulturdezernent generell bei der Planung fürs Karl-Marx-Jahr in laufende Prozesse hineingesprungen. Klar war: Trier wiederholt 2018 das Erfolgsmodell der Großausstellung an mehreren Orten. Zur „Konstantin“-Schau kamen 354 000 Besucher, zu „Nero“ 273 000. Auch ohne solche Top-Events kommt Trier im Schnitt auf 800 000 Übernachtungen pro Jahr und bis zu fünf Millionen Tagesgäste.

Die Chinesen sind bereits jetzt eine große Besuchergruppe, exakt erfasst wird sie statistisch nicht, schätzungsweise kommen 50 000 pro Jahr. 2018 sollen es deutlich mehr werden. Doch bereits jetzt ist in Trier laut Schmitt zwischen April und Oktober 2018 kein Bett mehr zu kriegen. Wachstumsziele etwa muss sich der Tourismus-Dezernent also nicht setzen.  Wie fühlt es sich überhaupt für einen schwarzen Kulturdezernenten an, wenn er ausgerechnet mit Karl Marx startet? Entspannt. „Ich bin nicht mehr so verbissen“, meint Schmitt im Hinblick auf die reine neoliberale Lehre, die er noch vor zehn Jahren vertreten habe: „Ich habe derzeit meinen linkesten Zustand erreicht.“ Marx sieht Schmitt als „einen der wichtigsten westeuropäischen Intellektuellen. Ich habe weder eine übergroße Distanz zu ihm noch neige ich zur Glorifizierung.“

Die Trierer hätten längst Frieden gemacht mit dem einst versteckten und vergessenen berühmtesten Sohn der Stadt, für den man im erzkonservativen katholischen Trier viel zu lange keine angemessene Erinnerungskultur entwickelte. Die Scham sei längst vorbei, meint Schmitt: „Hier ist Marx jetzt einfach nur eine berühmte Persönlichkeit, mit der sich die Beschäftigung lohnt.“

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