Ein düsteres Weltbild von Elend und Angst

Berlin · Der Amnesty Jahresbericht zeichnet eine verheerende Lage der Menschenrechte in Afrika und Asien. Und auch in Europa nimmt die Politik der Spaltung zu.

Die Vorher-Nachher-Bilder der syrischen Stadt Aleppo machen das Unfassbare sichtbar. Einst eine blühende Metropole, Hauptstadt islamischer Kultur, liegt die Stadt heute in Schutt und Asche. Die Zerstörung Aleppos ist aus Sicht von Amnesty International nur ein Beispiel dafür, dass die Menschenrechtslage sich trotz politischer Versprechen im vergangenen Jahr weiter verschlechtert hat. Im aktuellen Jahresbericht, der heute weltweit veröffentlicht wurde, schreibt Amnesty von einer Welt, die "finsterer und unsicherer" ist und appelliert an jeden Einzelnen, mehr Mut gegen "Entmenschlichung" zu beweisen. Alljährlich veröffentlicht die Organisation einen Überblick über die Menschenrechtslage in rund 160 Ländern der Welt.

"Es herrschte eine enorme Kluft zwischen Rhetorik und Realität, zwischen dem, was notwendig gewesen wäre, und dem was tatsächlich getan wurde, die einen immer wieder fassungslos machte", schreibt Generalsekretär Salil Shetty in seinem Vorwort über das Jahr 2016.

Dies sei sehr deutlich geworden bei dem UN-Flüchtlingsgipfel im September, bei dem keine angemessene Antwort auf die Flüchtlingskrise gefunden worden sei. Die Situation in Syrien und im Jemen sei dramatisch. Und trotz der verschlechterten Lage in Afghanistan, der Toten und der Gewalt gegen Frauen oder Menschenrechtler würden immer mehr der rund 2,6 Millionen afghanischen Flüchtlinge in ihre Heimat abgeschoben.

Extrem beunruhigend ist aus Sicht von Amnesty zudem ein neues Regierungshandeln. Kritische Stimmen würden mit Verweis auf Sicherheitsgründe vielerorts teils brutal, teils subtil zum Schweigen gebracht, etwa in der Türkei, Äthiopien, Ägypten Honduras oder Bahrain. "Viele Regierungen und politische Gruppierungen erklären Kritiker pauschal zu Feinden, denen Rechte abgesprochen werden dürfen", mahnt der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko.

In der Türkei seien nach dem gescheiterten Putsch mehr als 100 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst wegen vermeintlicher Terrorgefahr entlassen, mehr als 180 Medienunternehmen seien geschlossen und rund 120 Journalisten festgenommen worden. Als wohlmöglich größtes der vielen politischen Erdbeben führt der Bericht die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten an. "Trumps vergiftete Wahlkampfrhetorik war nur ein Beispiel eines weltweiten Trends hin zu einer Politik, die auf Wut und Spaltung setzt", klagt Generalsekretär Shetty. Barack Obama habe an vielen Stellen versagt, Trumps Ankündigungen seien indes furchterregend. Doch auch in Europa nehme die Politik der Spaltung zu, etwa in Frankreich oder den Niederlanden.

Die Afrikanische Union hatte für das vergangene Jahr ein Jahr der Menschenrechte ausgerufen. Doch dieser Hoffnungsschimmer habe sich bereits früh verflüchtigt, klagt Amnesty. So hätten gleich drei Mitglieder der Union ihren Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof angekündigt. In Eritrea dürften Bürger im Alter von fünf bis 50 Jahren nicht ins Ausland reisen und der verpflichtende Militärdienst könne nach wie vor auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Im nordafrikanischen Libyen würden Flüchtlinge aus anderen Teilen Afrikas getötet, gefoltert und wegen ihres Glaubens verfolgt. "Durch die geplante Zusammenarbeit mit Libyen nimmt die EU schwere Menschenrechtsverletzungen in Kauf", warnt der deutsche Generalsekretär Beeko. Deutschland habe erhebliche Anstrengungen unternommen, um die große Zahl Asylsuchender zu versorgen. Andererseits, so die Kritik, seien Gesetze verabschiedet worden, welche die Rechte der Migranten massiv einschränkten, etwa die Beschränkung des Familiennachzugs.

Vor diesem Hintergrund brauche es couragierte Stimmen, die sich gegen Unrecht und Unterdrückung zu Wort meldeten, fordert Amnesty. Hier habe es viele leuchtende Beispiele im vergangenen Jahr gegeben.

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