Nach der Parlamentswahl Die Zukunft Italiens steht in den fünf Sternen

Rom · Rechtspopulisten, EU-Kritiker und die Fünf-Sterne-Protestpartei gewinnen die Wahl. Die Regierungsbildung wird mühsam. Europa ist besorgt.

Am lautesten meldete sich am Tag nach der Wahl gleich Matteo Salvini zu Wort. Mit den Daumen nach oben stellte sich der Chef der fremdenfeindlichen Lega vor die Kameras und verkündete nichts geringeres als die „Befreiung“ Italiens vom Joch aus Berlin, Brüssel, Paris und von den Finanzmärkten, die für Italiens Niedergang verantwortlich seien. Die EU-Regeln zur Verschuldung? Sparmaßnahmen für Italien? „Scheißegal“, sagte Salvini, der sich als neuer Regierungschef in Rom sieht.

Ganz so einfach wird es vermutlich nicht. Die Wahl ist vor allem ein Triumph für die europakritische Fünf-Sterne-Protestpartei, die im ganzen Land dazugewonnen und vor allem im armen Süden eine wahre Flut an Wählerstimmen bekam. Nach ersten Ergebnissen landete sie als stärkste Kraft bei 32 Prozent. Das Mitte-Rechts-Bündnis um die Lega (rund 18 Prozent) und die Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi (14 Prozent) kam gemeinsam auf rund 37 Prozent. Ein „Land mit Bauchweh“ habe gewählt, schrieb die Zeitung „La Repubblica“. Ein Land, das nicht „Nein“, sondern „Basta“ zur alten, europafreundlichen Politik der Eliten sagt. Nein zu einer Einwanderung, die die Menschen überfordert hat. Nein zu Berlusconi, der mit 81 Jahren dachte, er sei unabkömmlich. Nein zu Matteo Renzi, der sich einbildete, das Land brauche genau ihn. Nach dem Wahl-Debakel seiner Sozialdemokraten mit mit knapp 19 Prozent trat er gestern als Parteichef zurück.

„Die Wahl hat Italiens politische Landschaft umgewälzt, und die Auswirkungen werden bleiben“, sagte Wolfango Piccoli vom Think Tank Teneo. Der Sterne-Spitzenkandidat Luigi Di Maio rief schon mal die „Dritte Republik“, nämlich eine „Republik der Bürger Italiens“ aus. Mit 31 Jahren will er als eine Art „Italo-Wunderwuzzi“ in den Regierungspalast einziehen. Nur mit Hilfe von wem?

Zwei Gewinner und kein Sieger. Alles und nichts ist nach dieser denkwürdigen Wahl in Italien möglich. Keiner kommt auf eine Regierungsmehrheit. Zwei anti-europäische Kräfte haben die Pro-Europäer der Sozialdemokraten von Renzi und Noch-Premier Paolo Gentiloni und der Forza von Berlusconi förmlich versenkt. Die „alte Politik“ ist abgemeldet, Zeitenwende in Italien.

Anti-Migranten und Anti-Elite: Mit diesen Worten ist der Wahlkampf und der Wahlerfolg der Lega und der Sterne zu beschreiben. Salvini wusste die Migrationskrise geschickt zu nutzen und versprach ein Ende der „Invasion der Illegalen“. Im Norden, wo die Lega seit Jahren fest verwurzelt ist, kam die Partei auf über 40 Prozent. Die Sterne setzten eher auf den Fall des verhassten Establishments und holten damit im Süden mancherorts mehr als 60 Prozent. Die Partei ist zum Schmelztiegel aus Internetnerds, Visionären, Möchtegern-Revoluzzern, Linken und Rechten, aus Abgehängten und Akademikern geworden. Wie groß der Frust vieler Italiener ist, zeigt eines: Sie haben die Fünf Sterne gewählt, obwohl die Partei dort, wo sie bereits an der Regierung ist, ein recht erbärmliches Bild abgibt. Beispiel Rom, wo Sterne-Bürgermeisterin Virginia Raggi alles andere als „bella figura“ macht.

Die Alptraum-Kombination aus Sicht Europas wäre ein Bündnis der Fünf Sterne und der Lega, beide würden zusammen zumindest auf die Zahlen für eine Regierungsbildung kommen. Eine Allianz ist eher unwahrscheinlich. Aber die Standpunkte erscheinen nicht unvereinbar. Beide fordern einen Umbau der EU und eine Lockerung der Sparpolitik.

Die EU hat sich das Ergebnis auch selbst auf die Fahne zu schreiben. In der Migrationsfrage fühlte sich Italien über Jahre alleine gelassen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nannte denn auch selbstkritisch die Mängel in der Verteilung von Flüchtlingen in Europa als Ursache für das Votum in Italien. Nicht zuletzt die harten Sparmaßnahmen – ausgehend auch von Deutschland – sah ein Großteil der Italiener als Verschwörung des reichen Nordens gegen die armen Mittelmeerstaaten. Wie es nun weitergeht am Stiefel, steht vorerst sprichwörtlich in den Sternen. Zumindest das Netz hatte schon eine Lösung parat. So schrieb ein Nutzer: „Salvini Ministerpräsident im Norden, Di Maio im Süden.“

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