Schulz bei Steinmeier Die Wiedergeburt der Groko?

Berlin/Saarbrücken · Nach der Bundestagswahl sollte Schluss sein mit einer großen Koalition. Doch nach dem Jamaika-Aus rücken immer mehr Genossen vom kategorischen Nein des Vorstands zu diesem Bündnis ab.

Thomas Oppermann bringt es auf den Punkt: „Wir haben drei Optionen, alle schlecht“, sagte der Niedersachse am Montagabend vor der SPD-Bundestagsfraktion. Bis zur Wahl hatte Oppermann die Abgeordneten als Zuchtmeister angeführt. Nun ist er auf den Stuhl eines Bundestagsvizepräsidenten gewechselt. Neuwahlen, Tolerierung einer Unions-Minderheitsregierung unter Angela Merkels Führung oder wieder eine große Koalition – die Lage für die SPD ist nach dem Platzen der Jamaika-Sondierungen schwierig. Daran ändert auch der blitzartige und einstimmige Beschluss der Parteiführung nichts, eine Fortsetzung der Groko zu verdammen. Ganz im Gegenteil.

Kurz vor dem heutigen Gespräch von SPD-Chef Martin Schulz mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über eine Lösung der politischen Krise nimmt der Druck auf die Sozialdemokraten enorm zu, ihren bisherigen Kurs zu verlassen. Nicht nur seitens der Union, sondern auch von innen. Mindestens ernsthafte Gespräche müsse es mit Angela Merkel geben, auch über eine erneute große Koalition, fordern immer mehr führende Genossen.

Dem Vernehmen nach will Schulz dem Bundespräsidenten heute zusagen, dass er zu solchen Gesprächen bereit ist. Mit allen Parteien. Und dass er keine Lösung von vornherein ausschließt. Zugleich will er aber die für die SPD wichtigen inhaltlichen Bedingungen nennen. Das ist eine bemerkenswerte Bewegung im Vergleich zum Montag. „Wir scheuen Neuwahlen nicht“, hieß es da noch.

Wenige Stunden später stimmte das in der Fraktion schon nicht mehr. Die gerade gewählten 153 Abgeordneten fürchten bei einem zweiten Urnengang um ihre Mandate. Zumal die SPD für einen Wahlkampf schlecht aufgestellt ist. Es sei nicht mal klar, wer Spitzenkandidat werde, sagte eine Abgeordnete. 55 Wortmeldungen wurden gezählt. Hart wurde kritisiert, dass Schulz den Vorstandsbeschluss veröffentlichte, noch bevor der Bundespräsident an alle Parteien appellierte, gesprächsbereit zu bleiben. Nun stehe man als Gesprächsverweigerer da. Von „freiwilliger Verzwergung“ ist die Rede. Und davon, dass man so die Verantwortung für Neuwahlen zugeschoben bekomme. Diesen Schwarzen Peter müsse man Merkel überlassen, heißt es.

Bisher war es einmütiger Konsens in der SPD, eine neue große Koalition auf keinen Fall einzugehen. Schulz wurde für diese schnelle Entscheidung am Wahlabend bejubelt; sie sicherte ihm trotz der krachenden Niederlage seine Position als Parteichef, in die er in zwei Wochen beim Parteitag wiedergewählt werden will. Doch seit dem Scheitern von Jamaika bröckelt diese Haltung gewaltig, weil Neuwahlen genauso stark abgelehnt werden. Waren es anfangs nur Altvordere wie Ex-Parteichef Björn Engholm, die von ihrer Partei Gesprächsbereitschaft verlangten, so wurden es am Dienstag und Mittwoch immer mehr. „Es dreht sich“, sagte ein hochrangiger SPD-Funktionär aus Hessen.

Am forschesten ging der Chef des Seeheimer Kreises der Parteirechten, Johannes Kahrs, an die Öffentlichkeit. „Aufstampfen und sich verweigern wie die FDP ist keine Haltung.“ In den nächsten zwei bis drei Wochen müsse man mit den anderen Parteien über jene Inhalte reden, die der SPD wichtig seien. Kahrs nannte Europa, Rückkehrrecht in Vollzeit, Kooperationsverbot und das Festhalten an der Rente mit 63. Der bayerische Landesgruppenvorsitzende Martin Burkert listete ähnliche Punkte auf. „Ob das in einer Groko endet, in der Tolerierung einer Minderheitsregierung oder in Neuwahlen, das werden wir dann sehen.“ Wichtig sei erst einmal der Prozess. Das sahen auch viele Saar-Genossen so. In der SZ sprachen sie sich fürs Sondieren aus.

Ganz so weit ist die SPD-Linke freilich noch nicht. Parteivize Ralf Stegner sagte, ein Abrücken vom Groko-Ausschluss würde den Kern der Glaubwürdigkeit beschädigen. Hessens SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel brachte eine Minderheitsregierung ins Spiel. „Das ist eine Frage, die in Gesprächen auch erörtert werden muss.“ Eine Neuauflage der großen Koalition lehne seine Partei derzeit ab. „Wir wollen keine österreichischen Verhältnisse.“ Matthias Miersch, Vorsitzender der Parlamentarischen Linken in der SPD, schlug ebenfalls eine Minderheitsregierung vor, die von anderen Parteien toleriert werden könne.

Eine solche Lösung hinge aber nicht nur vom Wohlwollen der SPD – sondern auch von Angela Merkel ab. Und die sagte am Montag dazu lapidar: „Ich bin skeptisch und glaube, dass Neuwahlen der bessere Weg wären.“ Oder doch die Groko?

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