Was wird aus dem SPD-Chef? Die ungewisse Zukunft des Martin Schulz

Berlin/Saarlouis · Wird es der Vizekanzler, ein Ministerposten oder der Rücktritt? Die Personalfrage um den angeschlagenen SPD-Chef begleitet das Groko-Ringen.

 Auch die Narren befassen sich mit Schulz: Auf einem Motivwagen des Mainzer Rosenmontagszugs wird der SPD-Chef als „Rohr-Krepierer“ erscheinen.

Auch die Narren befassen sich mit Schulz: Auf einem Motivwagen des Mainzer Rosenmontagszugs wird der SPD-Chef als „Rohr-Krepierer“ erscheinen.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Der Jubel war groß an diesem unfreundlichen 9. September auf dem Kleinen Markt in Saarlouis. Der Herbstregen prasselte, aber ebenso der Applaus für den damaligen Kanzlerkandidaten der SPD, der vor 1300 Zuhörern eine kämpferische Wahlkampf-Rede hielt. Die Zuversicht war zu spüren, oben auf der Bühne und unten im Publikum. Fünf Monate später ist Martin Schulz schwer angezählt. Führende Genossen halten den SPD-Chef für untauglich, werfen ihm Wortbrüche („In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten“) und einen Schlingerkurs vor. Offen sagt das allerdings keiner. Und während die Groko-Runde von einer Verlängerung in die nächste zieht, wächst der Druck auf den obersten Genossen.

Da ist der umstrittene Mitgliederentscheid, der eine Groko noch platzen lassen könnte. Und da sind die schlechten Umfragewerte. Die SPD stürzte jüngst ab auf 18 Prozent. Und Schulz? 54 Prozent der Deutschen sind gegen ein Ministeramt für den Mann aus Würselen, ermittelte jetzt das Forsa-Institut. Welche Szenarien sind für Schulz vor diesem Hintergrund denkbar, welche wahrscheinlich? Ein Überblick:

Szenario Vizekanzler: Schulz hat das erste Zugriffsrecht. Um seine Macht zu sichern, kann er erklären, ins Kabinett zu gehen, um sein Herzensthema Europa als Außenminister und Vizekanzler voranzubringen. Und er bleibt Parteivorsitzender. Es gibt aber auch Spekulationen, dass er beim Gang in das Kabinett zur Aufgabe des SPD-Vorsitzes bewegt werden könnte – damit jemand anderes nach dem Absturz der Partei den Erneuerungsprozess glaubhaft vorantreibt. 2005 trat Franz Müntefering mitten in den Koalitionsverhandlungen wegen der Ablehnung seines Generalsekretär-Kandidaten Kajo Wasserhövel als Parteichef zurück, wurde aber dann Arbeitsminister und Vizekanzler.

Szenario Scholz: Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz gilt als heißer Kandidat, wenn die SPD das Finanzministerium bekommt – aber er würde wohl nur wechseln, wenn er auch Vizekanzler wird. Dafür müsste aber das Außenministerium an die Union fallen und Schulz leer ausgehen. Scholz hat einen guten Draht zu Fraktionschefin Andrea Nahles, mit der er de facto das neue Führungsduo bilden würde. Schulz wäre so geschwächt, dass dies auch zum Rücktritt als SPD-Chef führen könnte.

Szenario Minister: Möglich ist auch, dass Schulz „nur“ Minister wird und jemand anderes Vizekanzler, um sich besser um die Parteiarbeit kümmern zu können. Das gilt aber als unwahrscheinlich. So oder so: Viele sehen das Risiko von weitaus mehr Nein-Stimmen beim geplanten SPD-Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag, wenn Schulz nicht vorher sagt, was er in Sachen Kabinett und Parteivorsitz vorhat.

Szenario Chaos: Wenn Schulz sich nicht erklärt, vor oder während des rund drei Wochen dauernden Mitgliedervotums oder sich abzeichnet, dass Schulz‘ Schlingerkurs eine Zustimmung gefährden könnte oder es im Vorstand zur Machtfrage kommt, könnte die Lage aus dem Ruder laufen. Die SPD hat gewisse Erfahrung mit überraschenden Stürzen. Ein solcher ist zumindest nicht ausgeschlossen.

Szenario Europa: Unwahrscheinlich, aber intern diskutiert: Schulz wird nach Europa weggelobt, indem ihm mit Hilfe von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) etwa der Job eines EU-Kommissars nach der Europawahl 2019 fest versprochen wird.

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