Die Pflege wird zum Milliardenprojekt

Berlin · Eine grundlegende Pflegereform ist weiter Zukunftsmusik. Die Umstellung des Systems von den bislang geltenden drei Pflegestufen auf fünf so genannte Pflegegrade peilt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe erst für 2017 an. Allerdings soll es schon kurzfristig Verbesserungen geben.

Die von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angekündigten Verbesserungen in der Pflege, die anders als die Umstellung des Stufen- auf das Gradsystem zeitnah umgesetzt werden sollen, reichen von höheren Geldleistungen bis zu einem günstigeren Betreuungsschlüssel in Pflegeheimen. Ein entsprechender Gesetzentwurf, welcher der Saarbrücker Zeitung vorliegt, wurde jetzt an die anderen Ressorts zur Abstimmung verschickt. Nachfolgend die wichtigsten Neuregelungen, die ab dem 1. Januar 2015 greifen sollen:

Pflegesätze: Für die rund 2,5 Millionen Pflegebedürftigen werden die Sätze für die häusliche und stationäre Pflege im Schnitt um vier Prozent erhöht. Wer einen Pflegedienst daheim beschäftigt, bekommt in Pflegestufe I künftig 468 statt 450 Euro. In den Stufen II und III sind es 1144 statt 1100 beziehungsweise 1612 statt 1550 Euro. Für Pflegebedürftige, die von Verwandten oder Freunden versorgt werden, erhöht sich das Pflegegeld: In Stufe I werden künftig 244 Euro fällig (bislang 235), in Stufe II und III steigen die Leistungen auf 458 beziehungsweise 728 Euro. Bislang sind es 440 beziehungsweise 700 Euro. Für Pflegebedürftige in Heimen erhöhen sich die Sätze in Stufe I auf 1064 Euro (bislang 1023), in Stufe II auf 1330 Euro (1279) und in Stufe III auf 1612 Euro (1550). In besonderen Härtefällen sind es 1995 Euro statt bislang 1918 Euro.

Zusätzliche Leistungen: Künftig können alle Pflegebedürftigen "zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen" in Anspruch nehmen. Dafür erstattet die Pflegekasse 104 Euro. Bislang steht die Leistung nur Demenzkranken zu. Dass künftig auch Betroffene mit körperlichen Gebrechen profitieren sollen, ist offenbar ein Vorgriff auf die später geplante Einstufung nach Pflegegraden. Sie sollen den Umfang der noch verbliebenen, individuellen Selbständigkeit abbilden - egal, ob ein Betroffener geistig oder körperlich gehandicapt ist.

Wohnumfeld: Wer seine private Unterkunft wegen Pflegebedürftigkeit zum Beispiel mit einem Treppenlift ausstattet oder einem behindertengerechten Bad, kann bislang bis zu 2500 Euro von der Pflegekasse beanspruchen. Künftig soll der Zuschuss auf 4000 Euro steigen.

Betreuung: Derzeit kommen auf eine Hilfskraft im Heim etwa 24 Pflegebedürftige. Hilfskräfte lesen zum Beispiel Demenzkranken vor oder gehen mit ihnen spazieren. Künftig soll der Betreuungsschlüssel bei 1:20 liegen. Dazu wären etwa 45 000 Hilfskräfte notwendig. Heute sind es rund 24 000. Um ihre Zahl entsprechend zu steigern, sind pro Jahr 510 Millionen Euro eingeplant. Das Fachkräfteproblem im Pflegebereich wird dadurch allerdings nicht gelöst.

Verhinderungspflege: Wenn pflegende Angehörige eine "Auszeit" etwa wegen Urlaub oder Krankheit benötigen, können sie eine andere Person mit der Betreuung beauftragen, deren Bezahlung die Pflegekasse trägt. Künftig wird der Zeitrahmen dafür auf bis zu sechs Wochen pro Jahr ausgeweitet. Außerdem steigt die Vergütung für die Ersatzpflegekraft von 1550 auf bis zu 1612 Euro.

Beiträge: Zur Finanzierung der Verbesserungen wird der Beitrag zur Pflegeversicherung ab Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte angehoben. Gegenwärtig liegt er bei 2,05 Prozent, Kinderlose zahlen 2,3 Prozent. Das bringt im kommenden Jahr gut 3,6 Milliarden Euro mehr in die Kasse. Für die Umwandlung der Pflegestufen in Pflegegrade sollen später weitere 0,2 Prozentpunkte fällig werden. Insgesamt stünden dann pro Jahr sechs Milliarden Euro mehr für die Pflege zur Verfügung.

Pflegefonds: Ein Teil der Beitragserhöhung, nämlich 0,1 Prozentpunkte (1,2 Milliarden Euro), wandert vom kommenden Jahr an in eine Art Vorsorge-Fonds, um eine Beitragsexplosion zu vermeiden, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen. Die Einzahlungen sollen 2033 enden. Verwaltet wird der Fonds von der Bundesbank. Kritiker befürchten aber, dass der Geldtopf Begehrlichkeiten weckt und für andere Ausgaben verfrühstückt wird. Gesundheitsökonomen zweifeln auch am Sinn des Fonds. Zwar steigt die Zahl der zu Pflegenden, um später wieder zu sinken. Aber wegen der niedrigen Geburtenrate geht auch die Zahl der Beitragszahler langfristig zurück. Dadurch, so ihr Argument, bleibe der Beitrag trotz des Fonds weiter auf hohem Niveau.

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