Die Meinungsroboter sind unter uns

In der heißen Phase des US-Wahlkampfes kommen auch sogenannte Social Bots zum Zuge. Das sind Programme, die in sozialen Netzen Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen. Die einen agieren für Trump, die anderen für Clinton. Ist diese Taktik auch in Deutschland denkbar?

Früher erkauften sich Unternehmen Likes und Follower - jetzt werden Fake-Profile im Wahlkampf eingesetzt: Wie US-Forscher kürzlich herausfanden, erhielten Donald Trump und Hillary Clinton auf Facebook und Twitter zuletzt große Unterstützung durch versteckte Programme, die versuchten, in sozialen Netzwerken auf die öffentliche Meinung massiv Einfluss zu nehmen. Ursprünglich platzierten Unternehmen so unterschwellig Werbung im Internet, um ihre Geschäfte voranzutreiben.

Social Bots heißen die Werkzeuge, mit denen man täuschend echte Botschaften massenhaft in sozialen Medien verbreiten kann. "Bot" ist abgeleitet vom englischen "robot" und wird gerne in dieser verkürzten Weise verwendet. Knapp die Hälfte der Kommunikation im Internet geht inzwischen auf solche von Algorithmen gesteuerten Programmen zurück, wie die Firma Incapsula, die auf Internetsicherheit spezialisiert ist, kürzlich meldete. Weniger als ein Jahr vor dem Bundestagswahlkampf werden die Meinungsroboter auch in Deutschland zum Thema - im politischen Berlin wie bei den Medientagen, die am heute in München beginnen.

"Bots werden hauptsächlich benutzt, um Trends zu verstärken", sagt der Politik- und Computerwissenschaftler Simon Hegelich von der Hochschule für Politik München . Ziel sei es, Tweets oder Facebookseiten von Kandidaten noch populärer zu machen. Man müsse aber vorsichtig sein, dies als Manipulation zu bezeichnen. Eine Täuschung der Öffentlichkeit sei es aber allemal, meint der Kommunikationswissenschaftler André Haller von der Universität Bamberg. Besonders problematisch seien Bot-Armeen, wenn sie durch sehr viele automatisierte Nachrichten zu einem Thema einen falschen Trend vorgeben. "Der Nutzer kann dann den Eindruck erhalten, dass ein bestimmtes Thema von herausragender Bedeutung ist und politisch wichtiger ist als andere Themen oder Aspekte eines Themas."

Strategisch nützlich seien Bots bei moralisch oder emotional aufgeladenen Ereignissen. Zum Beispiel bei der ersten TV-Debatte im US-Wahlkampf. Laut einer Studie der Oxford University hatten Bots hier einen beträchtlichen Teil der Nachrichten zur Unterstützung der Kandidaten auf Twitter abgesetzt. Bei Trump war jeder dritte Unterstützer-Tweet gefaked, jeder vierte bei Clinton. Hinzu komme, dass ein Drittel der Follower beider Kandidaten keine echten Menschen, sondern Roboter seien, sagt Haller. Deren Profile haben oft keine echten Porträtfotos, sondern Comicbilder, die frei im Internet erhältlich sind.

Auch in der Brexit-Debatte spielten Bots eine wichtige Rolle. Forscher der Universitäten Oxford und Budapest untersuchten in der Woche vor der Abstimmung 1,5 Millionen Tweets und fanden heraus, dass mindestens 30 Prozent dieser Nachrichten von lediglich einem Prozent der an der Diskussion beteiligten Nutzer stammten. Beide Seiten, Befürworter wie Gegner, setzten in diesem Zeitraum Tweets in einer Dichte ab, die ohne Automatisierung nicht möglich gewesen wäre, so die Forscher. Eindeutige Hinweise, dass dieser Einsatz zu einer Manipulation der Meinung zugunsten des Brexits geführt habe, konnten aber nicht erbracht werden. Allerdings können Bots die Zustimmung zu bestimmten Meinungen verstärken und populistische Thesen, die ohnehin attraktiv sind, weiter verbreiten, so das Fazit.

Dürfen diese Statement-Schleudern zur Stimmungsmache überhaupt eingesetzt werden? Strafrechtlich gibt es gegen sie kein Mittel, in den Geschäftsbedingungen verstoßen sie gegen das Kleingedruckte. Ihre Verwendung ist vielmehr eine ethische Frage. In Deutschland seien Parteien sehr vorsichtig, nicht den Eindruck der Manipulation zu erwecken, sagt Hegelich. Sowieso sei Social Media als Wahlkampfinstrument in der deutschen Politik noch Lichtjahre von den USA entfernt.

Selten sind sich CDU , SPD , Grüne, FDP und Linkspartei deshalb so einig gewesen: Computer-Bots als digitale Wahlhelfer sind tabu. Zumindest gibt kaum jemand öffentlich sein Interesse für die neuen Möglichkeiten zu. Nur eine Partei fällt aus dem Rahmen, die AfD. Nach einem "Spiegel"-Bericht erwägt die Partei, die Roboter in ihr Wahlkampf-Arsenal aufzunehmen. "Gerade für junge Parteien wie unsere sind Social-Media-Tools wichtige Instrumente, um unsere Positionen unter den Wählern zu verbreiten", sagte Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel dem Magazin.

Wenig später geht die Partei auf Abstand: "Entgegen anderslautenden Berichten plant die AfD keinen Einsatz sogenannter Social Bots im Wahlkampf", heißt es da. "Wir überlegen selbstverständlich, welche Tools im Social-Media-Bereich für unsere Öffentlichkeitsarbeit sinnvoll sind", wird Weidel zitiert. "Jedoch werden wir natürlich keine Social Bots einsetzen, die auf Seiten Dritter im Namen der AfD automatisiert posten oder ähnliches." Ob eine offizielle politische Kraft hinter ferngesteuerten Meinungsmachern steckt, ist aber kaum überprüfbar: Im Netz treiben Bots ihr Unwesen wie Soldaten ohne Hoheitsabzeichen.

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