Die Hamas lässt Israel nicht zur Ruhe kommen

Schoafat sieht aus, als sei ein Sturm darüber hinweggefegt. Steine liegen auf der Straße, Ampellichter sind zerschlagen.

Nur das Schwarz auf dem Asphalt lässt erahnen, dass kein Unwetter diesen Stadtteil in Ost-Jerusalem verwüstet hat. Die dunklen Stellen sind Brandspuren: An dieser Stelle haben palästinensische Jugendliche vergangene Woche Reifen angezündet. Barrikaden aus brennendem Gummi zogen sich durch die Straßen. Seit Tagen brennt es in der Region: In Nazareth und Kawasame im Norden Israels kämpfen Jugendliche mit der israelischen Polizei . Auch in Tel Aviv bringen sich die Menschen in Sicherheit. Aus dem Gazastreifen fliegen Raketen , Israel feuert zurück.

Begonnen hat die aktuelle Krise vor rund einem Monat, am 12. Juni. Damals verschwanden drei israelische Jugendliche auf dem Heimweg von einer Talmudschule im Westjordanland. Vergangene Woche wurden ihre Leichen unter einem Steinhaufen gefunden. Drei Familien trauerten - die Geschichte hätte damit enden können. Doch am Tag nach der Beerdigung wurde ein weiterer Toter gefunden.

Mohammed Abu Chedair, 16 Jahre alt, war bei lebendigem Leib verbrannt worden. Mittlerweile scheint fast sicher, dass radikale Juden ihn aus Rache getötet haben. Nun trauern vier Familien, jede auf ihre Weise.

Hussein Abu Chedair sitzt auf einem Plastikstuhl, hinter ihm ein überlebensgroßes Bild seines Sohnes. "Die Lage wird noch schlimmer werden", sagt er. "Die Menschen sind wütend." Darüber, dass sein Sohn auf derart qualvolle Weise sterben musste. Darüber, dass es geheißen hatte, Mohammed sei schwul gewesen und von der eigenen Familie umgebracht worden. Die Proteste der vergangenen Tage seien richtig und müssten andauern, fügt Naima, Mohammeds Cousine hinzu. "Die Menschen stehen für Mohammed auf. Es ist die einzige Möglichkeit, unsere Wut zu zeigen." Die Wut der Palästinenser lässt in Nof Ajalon die Sirenen heulen. Es ist ein schöner Ort: Familienwagen parken vor den Häusern, in den Gärten wächst Lavendel. Doch jetzt hört man hier auch Raketen fliegen. "Es ist tragisch", sagt Jischai Frankel, der Onkel des getöteten Naftali.

Als die Leiche von Mohammed Abu Chedair gefunden wurde, war es Jischai Frankel, der sich an die Presse wandte. "Es gibt keinen Unterschied zwischen Blut und Blut", sagte er. "Mord ist Mord , egal welche Nationalität oder welches Alter." Es ist die Botschaft der Familie Frankel an die Welt, ihr Versuch, der Gewalt mit Vernunft zu begegnen. Frankel sagt, er verspüre Wut auf die Militanten, aber niemals auf das palästinensische Volk. Er hat Hussein Abu Chedair sein Beileid ausgesprochen. Doch bei aller Besonnenheit mischt sich Verzweiflung in das Gespräch. "Die Terroristen müssen gestoppt werden", sagt Frankel. "Ich weiß keinen anderen Ausweg."

Frankel sieht zu seinen Kindern hinüber: Im Wohnzimmer tollt seine zehnjährige Tochter mit ihrem Hund. Wie soll er ihr erklären, was gerade passiert? "Am liebsten würde ich den Fernseher ausschalten und das alles nicht mehr sehen", sagt Frankel.Fast zwei Jahre lang hielt sich die Hamas in Gaza an die Waffenruhe. Daran hätte sich nichts geändert, wären nicht drei israelische Teenager entführt worden, und wäre nicht aus Vergeltung für ihren Tod ein palästinensischer Junge ermordet worden. Wer nicht länger der Willkür von Fanatikern ausgesetzt sein will, sollte sein Volk resistent dagegen machen. Nur per Dialog ist eine Beruhigung zu erreichen. Seit 30 Jahren hält die Hamas den Versuchen, sie zu zerschlagen, stand. Israel kann an den Islamisten nicht vorbei. Das Bündnis der moderateren Fatach mit der Hamas und die Einheitsregierung in Ramallah ebnen den Weg zur Zusammenarbeit, auch ohne dass der gegenseitige Boykott aufgehoben werden müsste. Die EU hat den Palästinensern die Hand gereicht. Israel sollte dasselbe tun.

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