Die Frau, die Google das Fürchten lehrt

Brüssel · Margrethe Vestager wirbelt Brüssel auf: Die EU-Wettbewerbskommissarin aus Dänemark legt sich mit allen an, auch mit Google oder Gazprom. Mit ihrer charmanten Art nimmt sie Gegner dennoch für sich ein.

Die Europäische Kommission unter Jean-Claude Juncker ist seit sechs Monaten im Amt. Das war für Margrethe Vestager genug Zeit, um sich mit allem und jedem anzulegen, der Europas freiem Markt in die Quere kommt: Erst prangerte die 47-jährige Wettbewerbskommissarin über 20 Mitgliedstaaten an, weil sie großen Unternehmen ungerechtfertigt Steuervorteile gewährten. Dann griff sie das seit fünf Jahren dahindümpelnde Verfahren gegen den Internet-Riesen Google auf und drohte wegen der Benachteiligung von Nicht-Kunden in den Suchmaschinenergebnissen mit einer Strafe von bis zu 6,6 Milliarden Euro. In der Vorwoche schließlich leitete sie ein formelles Strafverfahren gegen den russischen Staatskonzern Gazprom ein - völlig unbeirrt von der Tatsache, dass dies die ohnehin brach liegenden Beziehungen zu Moskau zusätzlich erschweren könnte.

"Einer der wenigen Lichtblicke dieser Kommission", meint ein EU-Abgeordneter, der ansonsten über das Juncker-Team wenig Gutes zu sagen pflegt. Vestager aber ist außen vor. Die Dänin aus Glostrup hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich. Mit 20 wurde die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin von ihrer sozialliberalen Partei "Det Radikale Venstre" (RV) in den Vorstand gewählt. Mit 29 wurde sie zum ersten Mal Ministerin. Als Vestager 2014 das Kopenhagener Innenministerium Richtung Brüssel verließ, hieß es in ihrer dänischen Heimat, die "heimliche Regierungschefin" sei gegangen. Seither wirbelt die überzeugte Markt-Politikerin in Brüssel Staub auf.

Den Ruf als "Eiserne Lady" und "Eiskönigin" hat sie längst weg. Das bekam auch Google-Chef Eric Schmidt zu spüren, als er um einen Termin bat, um das Verfahren gegen seinen Konzern schon im Vorfeld abbiegen zu können. Vestager ließ ihn wochenlang warten, ehe er erscheinen durfte.

Die gleiche Vestager sitzt während der Kommissionssitzungen auch schon mal mit dem Strickzeug da, weil "ich dabei besser nachdenken kann". Im Kurznachrichtendienst Twitter verriet sie, wie sie sich auf wichtige Auftritte vorbereitet: "Die Rede ist geschrieben, ich habe sie dem Hund vorgetragen und die Tasche gepackt. Aber erst ein Glas Rotwein und sieben Stunden Schlaf", schrieb sie im Jahr vor der Wahl 2011, das sie schließlich an die Regierung brachte. Als sie darauf angesprochen wurde, warum sie Gazprom zwölf Wochen Zeit für eine Antwort auf die Vorwürfe der Kommission eingeräumt habe (zwei Wochen mehr als Google ), antwortete sie lächelnd: "Das Statement ist länger. Die haben mehr zu lesen."

Mit solchen Bonmots nimmt die verheiratete dreifache Mutter auf charmante Weise ihr Gegenüber für sich ein. "Sie ähnelt nicht nur der früheren französischen Finanzministerin und heutigen Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde , sondern auch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel ", fasst die Kopenhagener Politik-Professorin, Marlene Wind, Vestagers Persönlichkeit zusammen.

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