Zehn Jahre Lehman-Pleite Was die Wirtschaftskrise in Deutschland hinterlassen hat

Berlin · 500 Milliarden Euro für die Banken: Das Rettungspaket, das die Bundesregierung im Jahr 2008 schnürt, schreibt Geschichte. Doch es ist erst der Anfang.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stehen im Oktober 2008 vor der Presse.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stehen im Oktober 2008 vor der Presse.

Foto: dpa/Rainer Jensen

Es ist der 5. Oktober 2008. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) stehen vor Journalisten und geben mit ernster Miene eine gewaltige Garantie ab: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.“ Die Tragweite dieser Worte ist nicht auf Anhieb erkennbar. Doch sie sollten nichts Geringeres als ein massives Abheben von Sparguthaben und einen Zusammenbruch des Finanzsektors verhindern. Kurz darauf beschließt die Bundesregierung das größte Hilfspaket der bundesdeutschen Geschichte: mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro für die deutschen Banken.

Noch im Frühjahr 2007 hatten Experten das Finanzsystem als sicher eingeschätzt. Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich bereits im Juli herausstellt: Die Mittelstandsbank IKB ist das erste Opfer in Deutschland. Sie verspekuliert sich mit schlechten amerikanischen Hypothekenkrediten. Die Liquidität bricht zusammen. Ende Juli rettet der Staat die Bank vor der Pleite – ein historisches Ereignis. Doch es ist erst der Anfang. Bald steht fest: Weitere Landesbanken wie die Düsseldorfer West LB oder die Sachsen LB hatten in den USA ebenfalls ordentlich mitgemischt. 2008 muss die SachsenLB von der Landesbank Baden-Württemberg übernommen werden. Der Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) wird zunächst aufgefangen, dann verstaatlicht und schließlich aufgespalten. Auch die West LB überlebt die Finanzkrise nicht. Der Bund steigt als größter Aktionär bei der Commerzbank ein, die kurz vor der Lehman-Pleite die angeschlagene Dresdner Bank übernimmt.

Die Deutsche Bank lehnt staatliche Hilfe bis zum Schluss ab. Doch unter den Spekulationen von damals leidet das Geldhaus noch heute. Im Januar 2017 wird sie in den USA zu einer Rekord-Strafe von 7, 2 Milliarden Dollar verdonnert. Eine Frage der Verantwortung. Auch Merkel hütet sich damals davor, den Eindruck zu erwecken, man wolle in erster Linie die Banken aus ihrer selbstverschuldeten Misere retten.  Denn auch in der so genannten Realwirtschaft, also in der Industrie und bei ihren Zulieferern brechen die Aufträge ein. Mit Kurzarbeit und Milliardenhilfen werden mehr als 1,5 Millionen Jobs gesichert. „Wir tun das nicht im Interesse der Banken, sondern im Interesse der Menschen“, bekräftigt die Kanzlerin. Doch viele Bürger empfinden das Gegenteil. Im Zuge der europaweiten Rettungsmaßnahmen schwappt die Krise bald von der privaten Wirtschaft zu den öffentlichen Finanzen über. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, wird zu Merkels Dogma – weitere Rettungspakete auf europäischer Ebene sind die Folge. Als Anti-Euro-Partei gründet sich die Alternative für Deutschland (AfD). Und das, obwohl Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wie Griechenland oder Spanien glimpflich aus der Krise findet – im Jahr 2010 geht das Land wieder auf Wachstumskurs. 

Seit 2008 werden rund 50 Gesetze vom Finanzmarktstabilisierungs- bis zum Hochfrequenzhandelsgesetz auf den Weg gebracht. Dennoch sehen Kritiker immer noch zu wenig Schutz – vor allem weil ihrer Meinung nach die Banken nicht zu noch höheren Eigenkapitalpolstern verpflichtet würden, um staatliche Rettungsmaßnahmen obsolet zu machen. Eine der gravierendsten Folgen für die Bürger sind heute die niedrigen Zinsen. Das Urteil des Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick fällt ernüchternd aus: „Was 2008 als Bankenkrise begann, wurde rasant zur Eurokrise. Statt die Krise grundlegend zu lösen, haben die Bundesregierungen unter Angela Merkel immer nur die Symptome bekämpft“, kritisiert er. „Inzwischen breitet sich die Krise auch auf Sparer, Mieter und Hauskäufer aus: Auch dank niedriger Zinsen explodieren Mieten und Hauspreise, und die private Altersvorsorge vieler schmilzt dahin.“

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