Skandal bei Gala in London Die Abgründe der Gentlemen, die keine sind

London · Die Spendengala eines Londoner Männer-Clubs artet in massive Belästigung von Hostessen aus. Die Insel ist entsetzt.

 Zur Gala im Londoner Dorchester Hotel kamen 360 reiche Herren. Von Gentlemen kann angesichts der massiven Vorwürfe aber keine Rede sein.

Zur Gala im Londoner Dorchester Hotel kamen 360 reiche Herren. Von Gentlemen kann angesichts der massiven Vorwürfe aber keine Rede sein.

Foto: dpa/Philip Toscano

Zu guter Letzt zeigte sich auch Premierministerin Theresa May „entsetzt“ und „angewidert“ angesichts der Berichte über jene Spendengala des „President‘s Club“, die seit Tagen für Furore auf der Insel sorgt. Hostessen seien sexuell belästigt worden bei der Veranstaltung für „men only“.

Die Gäste dagegen schweigen seit Tagen oder sie geben kleinlaute Ausflüchte und Erklärungen ab, dass sie von den skandalösen Vorfällen nichts mitbekommen haben wollen. Nadhim Zahawi etwa, Staatssekretär im Erziehungsministerium und zuständig für Kinder und Familien, beteuerte, er sei früh nach Hause gegangen und wolle nie wieder eine Veranstaltung besuchen, die ausschließlich für Männer ausgerichtet werde. Und auch wenn sich viele der 360 eingeladenen Herren wohl als Gentlemen betrachten; wie unter Edelmännern ging es auf der jährlich stattfindenden Wohltätigkeitsveranstaltung im schicken Dorchester Hotel in London so gar nicht zu, wie die „Financial Times“ diese Woche enthüllte.

Die Zeitung hatte eine Reporterin als eine von 130 Hostessen eingeschleust. Was sie erlebte, sei „schockierend“ gewesen. Nicht nur, dass ihr bereits vorab aufgetragen wurde, schwarze passende Unterwäsche unter dem knappen, engen Kleid sowie „sexy High Heels“ zu tragen sowie eine fünfseitige Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. An jenem Abend verhielten sich die männlichen Gäste auf eine Weise, die an Zeiten aus dem 18. Jahrhundert erinnert. Die Journalistin berichtete, wie die von einer Agentur gebuchten Frauen reichen, mächtigen Männern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, der Politik und aus der Unterhaltungsindustrie zuerst präsentiert wurden, bevor die Hostessen an die ihnen zugewiesenen Tische gingen, um die Spender in Geberlaune zu bringen. Der Sinn des Traditionsdinners war, Geld für wohltätige Zwecke einzusammeln. Doch die Auktion, man konnte unter anderem ein Mittagessen mit dem britischen Außenminister Boris Johnson oder auch eine Schönheits-Operation ersteigern, um die „Ehefrau aufzupeppen“, geriet in den Hintergrund.

So erzählte die Reporterin, wie Frauen von zudringlichen Männern mit Champagner abgefüllt wurden, von unsittlichen Angeboten oder der Aufforderung eines Mannes an eine Dame, das Höschen auszuziehen und auf dem Tisch zu tanzen, von Grabschereien an Hintern, Hüfte und Bauch, von Händen unterm Kleid und wie ein Mann unter dem Tisch sogar seinen Penis aus der Hose geholt und ihn einer Hostess gezeigt hat. Wer sich zu zurückhaltend verhielt oder zu lange auf der Toilette verbrachte, wurde von Aufpassern ermahnt.

Seit Veröffentlichung des Artikels meldeten sich zahlreiche andere Frauen zu Wort, die dieses Jahr oder auch bei den Festen der Vorjahre anwesend waren. Ihre Erfahrungen decken sich mit jenen der Journalistin.

Die Enthüllungen kommen zu einer Zeit, in der das Thema sexuelle Belästigung ohnehin die Schlagzeilen füllt. Erst kürzlich erschütterte ein Skandal um sexuelle Übergriffe Westminster. Nun zieht er weitere Kreise in die Geschäftswelt. Der exklusive „President‘s Club“, der im Lauf der Jahre rund 20 Millionen Pfund (umgerechnet knapp 23 Millionen Euro) gesammelt hat, kündigte mittlerweile seine Auflösung an. „Im heutigen Großbritannien darf es weder einen Ort für dieses Verhalten geben noch einen für ‚geheime Gesellschaften’, hinter denen sich einzelne Täter verstecken können“, hieß es von Vince Cable, dem Chef der der Liberaldemokraten.

Doch in vielen britischen Privatclubs, in denen sich die Elite des Landes zusammentut, an der Karriere feilt und Kontakte knüpft, ist es noch immer gang und gäbe, nur Männer aufzunehmen. Frauen dagegen müssen in den oft jahrhundertealten Institutionen häufig  draußen bleiben. Etliche Politikerinnen forderten angesichts des Gala-Skandals nun eine polizeiliche Untersuchung sowie strengere Gleichheitsgesetze. So auch die Parlamentarierin Maria Miller, Vorsitzende des Ausschusses für Frauen und Gleichberechtigung: „Frauen sollten so etwas nicht länger hinnehmen müssen“, sagte sie. „Die Zeit ist um.“

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