Deutschlands Autofahrer sind "rasend aggressiv"

Goslar. Privater Ärger, Stress, Zeitnot: Für aggressives Verhalten im Straßenverkehr gibt es viele Auslöser. "Aggressive Fahrweise ist die Ursache für rund ein Drittel der Verkehrsunfälle mit Todesopfern", sagt der Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Versicherer (GDV). Experten machen sich zunehmend Sorgen über die Wüteriche am Lenkrand

 "Du spinnst wohl!": Experten machen sich Sorgen über aggressive Autofahrer auf deutschen Straßen. Foto: Büttner/dpa

"Du spinnst wohl!": Experten machen sich Sorgen über aggressive Autofahrer auf deutschen Straßen. Foto: Büttner/dpa

Goslar. Privater Ärger, Stress, Zeitnot: Für aggressives Verhalten im Straßenverkehr gibt es viele Auslöser. "Aggressive Fahrweise ist die Ursache für rund ein Drittel der Verkehrsunfälle mit Todesopfern", sagt der Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Versicherer (GDV). Experten machen sich zunehmend Sorgen über die Wüteriche am Lenkrand. "Aggression im Straßenverkehr" ist deshalb ein zentrales Thema beim 51. Deutschen Verkehrsgerichtstag, der heute in Goslar beginnt.

Viele Autofahrer seien überzeugt, dass die Aggression auf den Straßen in den vergangenen Jahren zugenommen hat, berichtet ADAC-Sprecherin Katharina Bauer. Vor allem auf Autobahnen werde gerast, gedrängelt und gepöbelt. Drängler würden dabei als größte Plage empfunden. Dadurch fühlten sich 80 Prozent der Autofahrer provoziert. Umgekehrt ärgerten sich 30 Prozent über Schleicher auf der Fahrbahn.

Eine Ursache für die Wut am Steuer sei der Zeitdruck mit Arbeitsverdichtung, Terminhetze und psychischen Belastungen, meint Rainer Hillgärtner vom Automobilclub ACE. "Als Reaktion darauf lassen die Leute hinterm Steuer dann ihren ganzen Frust raus. Sie werden wortwörtlich rasend aggressiv." Dazu könne indirekt auch das Navigationsgerät führen, glaubt Hillgärtner. "Wenn der vom Navi berechnete Zeitaufwand für eine Strecke sich durch Verkehrsbehinderungen vergrößert, versuchen viele Fahrer durch riskante Raserei, die verlorene Zeit wieder reinzuholen." Auch eine Überregulierung im Straßenverkehr - etwa als unsinnig empfundene Tempolimits auf Autobahnen - reize so manchen Fahrer.

Aggressives Fahren ist allerdings teuer: Beleidigung, Nötigung mit Lichthupe, Bedrängen, Schneiden oder Rasen mit Gefährdung können mit Fahrverboten und hohen Geldstrafen geahndet werden. Schärfere Sanktionen sind nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) daher nicht erforderlich. Experten sehen das Problem eher darin, dass aggressive Fahrer nur selten erwischt werden. Der ADAC macht sich deshalb für mehr Kontrollen stark. Die aggressiven Fahrer müssten angehalten und direkt mit ihrem Verhalten konfrontiert werden. Und Unfallforscher Brockmann fordert moderne Videotechnik für Polizisten, die Raser mit ihren Zivilfahrzeugen stellen sollen.

Als bedrohlich werden von den meisten Verkehrsteilnehmern vor allem Fahrer PS-starker Autos wahrgenommen, so der ADAC. So spielt auch das Ego der Fahrer eine Rolle: Wer sich über sein Auto definiere, neige zu aggressivem Verhalten im Straßenverkehr, sagt Karl-Friedrich Voss vom Vorstand des Bundesverbandes niedergelassener Verkehrspsychologen. Das Auto sei für sie eine Art Kompensationsmittel, weil in anderen Bereichen Erfolge fehlten.

Wer sich von aggressiven Zeitgenossen auf der Straße bedrängt oder provoziert fühle, sollte allerdings jeder Form von Selbstjustiz abschwören, mahnt unter anderem der ACE. "Keine vorweggenommene Bestrafung von Rüpeln durch Ausbremsen, Drohen oder Beleidigen", sagt Sprecher Hillgärtner. Das führe nur zu immer weiterem Ärger. dpa

Hintergrund

Jedes Jahr fallen in Deutschland Hunderttausende durch die Führerscheinprüfung. Der Autoclub Europa ACE macht dafür eine mangelhafte Vorbereitung in den Fahrschulen verantwortlich. Eine Verbesserung der Fahrausbildung ist deshalb ein zentrales Thema des Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar. Zu der Tagung, die heute offiziell eröffnet wird, haben sich rund 1900 Verkehrsexperten angekündigt. Fachleute aus Ministerien und Verwaltungen, von Automobilclubs und Versicherern wollen sich bis Freitag unter anderem auch mit Aggressionen im Straßenverkehr, der Überwachung von Tempolimits, der Reform des Flensburger Punktekataloges und dem Schadensersatz für dauerhaft geschädigte Unfallopfer befassen. Die Tagung endet mit Reform-Empfehlungen an den Gesetzgeber. dpa

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