Deutsche entdecken in der Krise die Heimat

Berlin. Nachdem gerade erst die Fastnacht versucht hat, den Winter auszutreiben, legt die Internationale Tourismusbörse (ITB), die größte Tourismusbörse der Welt, noch eine Schippe drauf. Sie gibt - diesmal vom 11. Bis 15 März - traditionell den Startschuss für die bunte, schöne, heile Welt des Urlaubs

 Solche Reiseziele wie das Wasserschloss Herten im Ruhrgebiet sollen deutsche Urlauber anlocken. Das Ruhrgebiet ist in diesem Jahr Partnerland der Tourismusbörse. Foto: Look

Solche Reiseziele wie das Wasserschloss Herten im Ruhrgebiet sollen deutsche Urlauber anlocken. Das Ruhrgebiet ist in diesem Jahr Partnerland der Tourismusbörse. Foto: Look

Berlin. Nachdem gerade erst die Fastnacht versucht hat, den Winter auszutreiben, legt die Internationale Tourismusbörse (ITB), die größte Tourismusbörse der Welt, noch eine Schippe drauf. Sie gibt - diesmal vom 11. Bis 15 März - traditionell den Startschuss für die bunte, schöne, heile Welt des Urlaubs. Noch vor einem Jahr wehte am Messeeingang in Berlin ein riesiges Poster mit Impressionen der Dominikanischen Republik und versetzte die Betrachter ins Paradies von Rumpunsch und Kokos-Palmen, denn der Karibik-Staat war Partnerland der ITB. In diesem Jahr passt das Partnerland zur allgemeinen Stimmung: Es ist die "Tourismusmetropole Ruhr". Nicht, dass man etwas gegen das Ruhrgebiet als Urlaubsland hätte, zumal damit auch die Hoffnung steigt, dass es eines Tages vielleicht sogar das "Wanderland Saar" zu höchsten Messeehren bringen könnte. Was ja nicht verkehrt wäre, denn Saar oder Saale dürften in diesem Jahr vielen Familien näher liegen als Palma und Piräus, ergab eine Umfrage des Freizeitforschungsinstituts BAT.

Deutschland im Trend

"Ein Comeback des Deutschlandtourismus zeichnet sich ab. Die Finanz- und Wirtschaftskrise verstärkt diesen Trend: Die Weltmeister im Reisen reisen weniger ins Ausland", sagt Jens Oellrich, Mitarbeiter der Deutschen Tourismusanalyse 2009. Denn gerade junge Familien, die noch vor einem Jahr als aufsteigende Gutverdiener mit höheren Urlaubs-Ambitionen gehandelt wurden, sind als Klientel abgesackt. Kurzarbeit und schlechte wirtschaftliche Aussichten bremsen besonders bei dieser wichtigen Gruppe die Reiselust, das hat auch die deutsche Zentrale für Tourismus herausgefunden. Man grillt lieber im eigenen Garten und gönnt sich höchstens mal eine Tagestour. Diese Tagestouren hatten allein im letzten Jahr bereits einen Zuwachs von fast vier Prozent, die Tendenz ist steigend.

Wird der Gürtel enger geschnallt, so schrumpft die Urlaubsdauer: 2008 verreisten die Deutschen laut BAT-Tourismusstudie im Schnitt 12,2 Tage mit einem Budget von 960 Euro. Allerdings kann diese Tendenz den großen Veranstaltern nicht gefallen, denn sie haben wenig davon. Vor einem Jahr gab es bereits Irritationen, als der größte deutsche Reisekonzern, die Tui, der ITB fernblieb. Auch die weiteren Großen sucht man diesmal in Berlin vergeblich: kein Dertour, kein Neckermann, kein Thomas Cook, kein Airtours. Es fehlen auch die Fluggesellschaften Condor und Lufthansa. Angesichts der Tatsache, dass inzwischen ein Drittel aller Urlauber in Deutschland ihre Reisen per Internet buchen, brauchen die Konzerne womöglich bald keine Messepräsenz mehr. Dennoch dürfte der Eindruck, dass die deutschen Branchenriesen beim größten Reisezirkus der Welt nicht dabei sind, von vielen Besuchern negativ aufgenommen werden. Oder als Indiz, dass es abwärts geht. Obwohl Freizeit- und Trendforscher wie der Hamburger Professor Peter Wippermann immer wieder propagieren: Am Urlaub wird zuletzt gespart. Das haben sich Lebensmitteldiscounter wie Aldi , Penny, Plus und der Kaffeeröster wie Tchibo zunutze gemacht und bieten neben ihrem üblichen Sortiment auch Reisen an, um Kunden anzulocken, die normalerweise eher einen Bogen ums Reisebüro machen.

Zwischen Mehl, Mokka und Milch mal eben Madeira mitzunehmen, kommt an. Doch sollte man wissen, dass diese Reisen nicht vom Himmel fallen, sondern von den üblichen Großkonzernen gemanagt werden: Hinter dem Aldi-Direktvermarkter Berge & Meer steht die Tui, hinter Big Xtra der Tourismuskonzern FTI. Das bietet einerseits Sicherheit - doch andererseits sind diese Angebote keine Hexerei, man kann sie auch im Internet finden. Also auch hier keine spektakulären Neuerungen, sondern lediglich neue Vertriebskanäle für die Konzerne. Und so präsentiert sich die ITB in diesem Jahr ohne Sensationen, irgendwie ratlos und auch ein wenig kraftlos. Wo die Reise hingeht, wird man erst in einigen Wochen wissen.

Auf einen Blick

Die Internationale Tourismusbörse (ITB) findet in diesem Jahr vom 11. bis 15. März in den Messehallen unter dem Berliner Funkturm statt. An den ersten drei Tagen ist die Leitmesse der Reisebranche nur für Fachpublikum zugänglich. Am Samstag und Sonntag (14./15. März) hat die Internationale Tourismusbörse von 10 bis 18 Uhr auch für Privatbesucher geöffnet.

Das Tagesticket für Privatbesucher kostet wie im Vorjahr 14 Euro, im Online-Verkauf unter der Internet-Adresse itb-berlin.de/eintrittskarten zwölf Euro. Tickets sind auch an allen S-Bahn-Verkaufsstellen sowie an S-Bahn-Automaten auf den Berliner Bahnhöfen erhältlich.

 Folklore-Gruppen aus Peru warben gestern in Berlin für ihr Land (oben). Mecklenburg-Vorpommern gilt in Deutschland längst als Geheimtipp (unten). Foto: dpa

Folklore-Gruppen aus Peru warben gestern in Berlin für ihr Land (oben). Mecklenburg-Vorpommern gilt in Deutschland längst als Geheimtipp (unten). Foto: dpa

Die ermäßigte Eintrittskarte für Schüler und Studenten gibt es für acht Euro. Kinder bis 14 Jahre haben am 14. und 15. März in Begleitung von Erwachsenen freien Eintritt. ddp

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort