Nach dem Giftgasanschlag Der Westen ringt weiter um Reaktionen in Syrien

Washington · Eine Entscheidung nach dem mutmaßlichen Giftangriff ist offen. Derweil gibt Moskau London die Schuld.

Aus Sorge vor einem offenen Konflikt mit Russland ringt der Westen weiter um eine Reaktion auf den mutmaßlichen Chemiewaffenangriff in Syrien. Während zwischen Washington, London und Paris Einigkeit über die Notwendigkeit einer gemeinsamen Reaktion herrschte, stand eine endgültige Entscheidung am Freitag weiter aus. Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensia sagte, Priorität habe derzeit, eine bewaffnete Konfrontation zwischen Russland und den USA zu vermeiden.

US-Präsident Donald Trump schob eine Entscheidung zu einem möglichen Raketenangriff in Syrien weiter hinaus. „Es wurde keine endgültige Entscheidung getroffen“, sagte seine Sprecherin Sarah Sanders am Donnerstag nach einem Treffen Trumps mit seinen Nationalen Sicherheitsberatern. Die US-Regierung sieht den Chemiewaffenangriff in Ost-Ghuta durch die syrische Armee inzwischen als erwiesen an.

Trump hatte am Mittwoch zunächst einen Raketenangriff der US-Streitkräfte angekündigt, seine Drohung einen Tag später aber relativiert. US-Verteidigungsminister Jim Mattis sagte vor US-Abgeordneten, die Notwendigkeit, „die Ermordung Unschuldiger zu stoppen“, müsse abgewogen werden gegen das Risiko, dass die Lage eskaliere und „außer Kontrolle“ gerate. Dennoch haben Trumps Worte Syrien in Alarmbereitschaft versetzt. Aus regierungsnahen Kreisen in Damaskus hieß es, zahlreiche staatliche und militärische Einrichtungen in der Hauptstadt seien alarmiert worden.

Unterdessen beschuldigte die russische Armee Großbritannien der „direkten Beteiligung“ an dem Angriff in Syrien. Sie habe „Beweise“, die eine „direkte Beteiligung Großbritanniens an der Organisation dieser Provokation in Ost-Ghuta belegen“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau. London habe bei der Inszenierung des mutmaßlichen Giftgasangriffs „starken Druck“ auf die syrische Zivilschutzorganisation der Weißhelme ausgeübt. Diese hatte am vergangenen Samstag als erste auf Twitter mitgeteilt, mehr als 40 Menschen seien bei einem „Chlorgasangriff“ getötet worden.

Die USA und ihre Verbündeten machen Syriens Machthaber Baschar al-Assad und Russland für den Vorfall verantwortlich. Außerdem macht London Russland für den Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter in London verantwortlich. Moskau weist beides zurück.

In einem Telefonat Trumps mit der britischen Premierministerin Theresa May bekräftigten beide ihre Überzeugung, dass es eine Reaktion in Syrien geben müsse. Ein britischer Regierungssprecher sagte, beide seien einig, „dass der Einsatz von Chemiewaffen nicht unbeantwortet bleiben“ dürfe. Trump wollte zudem erneut mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron beraten. Dieser hatte am Donnerstag erneut eine Reaktion Frankreichs angekündigt, ohne konkret zu werden. Es gebe Beweise für den Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung, sagte er. Am Freitag appellierte Macron an Russlands Präsident Wladmir Putin, gemeinsam „den Frieden und die Stabilität in Syrien wiederherzustellen“.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) forderte eine geschlossene Reaktion der internationalen Gemeinschaft. „Die wiederholte Anwendung von chemischen Waffen“ könne „nicht ohne Folgen bleiben“, sagte der Saarländer in Brüssel. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor erklärt, Deutschland werde sich an „militärischen Aktionen nicht beteiligen“. Auf Antrag Russlands sollte sich am Abend auch der UN-Sicherheitsrat erneut mit Syrien befassen. Schweden legte einen Resolutionsentwurf vor, wonach eine „ranghohe Abrüstungsmission“ Syrien „für alle Zeiten“ von Chemiewaffen befreien solle.

Ein Expertenteam der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen soll den Vorfall an diesem Samstag vor Ort untersuchen. Bei dem Angriff waren vor einer Woche in Duma in der Region Ost-Ghuta Dutzende Menschen getötet und Hunderte verletzt worden.

Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, sagte den Funke-Zeitungen, er rechne mit einer Militäraktion der USA. „Nach der massiven Warnung wird Trump nicht mehr hinter seine Drohungen zurück können“, sagte Kornblum. „Jetzt gar nichts zu machen, käme einem Gesichtsverlust gleich.“

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