Der verkehrte Himmel

Nonnweiler · Im Saarland war die partielle Sonnenfinsternis auf dem Peterberg bei Braunshausen besonders gut zu beobachten. Der Verein der Amateurastronomen Saarland hatte die Kuppeln der Sternwarte für Besucher geöffnet.

Neun Uhr morgens: Langsam drückt sich der vorfrühlingshafte graubraune Wald durch bläuliche Schleier. Die Sonne scheint - zumindest aus irdischer Perspektive - noch keinen blassen Schimmer davon zu haben, was ihr gleich dräut. Den kurzen Kampf gegen den Nebel hat sie grandios gewonnen: Der Dunst sinkt matt ins Tal und überlässt das Peterberg-Plateau ihrer prallen Kraft. Dort wächst die Menschenschar, die mit speziellen Filtern, Folien und Brillen ausgestattet die Sonne nun für knapp zwei Stunden nicht mehr aus den Augen lässt, allmählich auf mehr als 200 an.

Zwischen zehn und fünfzehn Teleskope sind wie weiße Kanonenrohre auf den gleißenden Feuerball gerichtet, flankiert von Stativen, auf denen Kameras mit wuchtigen Objektiven thronen. An manchen Apparaturen sind Laptops angeschlossen - einige machen die Teil-Eclipse durch im Minutentakt aufgenommene Bilder sichtbar. Daraus sollen später Videos entstehen, die die Sonnenfinsternis im Zeitraffer zeigen.

Es ist eben einer jener raren Tage, an denen der Mond der Sonne die Show stiehlt. Und an denen der Verein der Amateurastronomen die Kuppeln der Sternwarte nicht am Abend oder in der Nacht, sondern am Tag geöffnet hat. Am Wendeltreppen-Absatz und auf den Stufen zur Nordkuppel drängen sich große und kleine "Sofi"-Gucker - geduldig, erwartungsvoll, gespannt.

Durch den Kuppelspalt oben dringt Himmelsblau, über das sich das Sonnenlicht sogleich begierig hermacht. Die Besucher aber interessiert am meisten das große Linsenteleskop, das ins Freie gerichtet ist: Ein Blick hinein zeigt, wie der Mond - scheinbar - peu à peu die Macht der Sonne bricht. "Ganz schön angenagt, die Sonne", stellt David Hellenbrand in der Warteschlange grinsend fest. Der Fünfjährige ist mit seinem Vater Andreas gekommen - und darf für das lehrreiche Naturschauspiel sogar den Kindergarten "schwänzen".

Das Teleskop mit einem Durchmesser von etwa 15 Zentimetern gibt den Blick auf einige Details des Schauspiels frei: Der Rand des Mondes, der sich beharrlich über die Sonne schiebt, ist uneben - es sind Gebirge zu erkennen. "Wer genau schaut, sieht auch einen schwarzen Fleck" - Christoph Pütz vom Verein der Amateurastronomen erklärt am Spiegelteleskop in der Kuppel, was die Besucher sehen - oder sehen können. "Es ist der einzige Sonnenfleck, der sich da nach vorn gemogelt hat", sagt Pütz, "er hat die Show für sich." Sonnenflecken , so erfahren die Himmelsgucker, sind Stellen auf der Sonnenoberfläche , die kühler sind und daher weniger Licht abstrahlen.

Nun erklimmt die kleine Luise forsch die kurze Leiter vor dem Teleskop, zieht ihre Brille von der Nase und schaut gebannt durch die Linse. "Cool", sagt sie nur, und ihr Gesicht strahlt. Weniger zum Strahlen zumute ist zeitweilig den Amateurastronomen: Ihr Live stream von der Eclipse im Internet ist bei rund 35 000 Zugriffen komplett zusammengebrochen. "Die Besucher hier oben sind jetzt eindeutig im Vorteil", bemerkt Vorstandsmitglied Uwe Dillschneider.

Um 10.35 Uhr hat der Mond sein Maximal-Ziel erreicht - für dieses Mal: Mit seinem Körper bedeckt er nun etwa drei Viertel der Sonne. Wann sieht man je diesen "verkehrten" Himmel, die Sonne als Sichel, der Mond schwarz und (beinahe) rund?

Es ist dämmrig geworden, die Himmelsgucker betrachten andächtig die Abendstimmung am Morgen. Empfindlich kalt ist es jetzt auch, obwohl die Temperatur nur um ein halbes Grad gesunken ist, wie Sternwarten-Leiter Markus Janes nach einem Blick auf das Thermometer feststellt. Gerade wärmte die Sonne noch, jetzt frösteln die Menschen draußen auf der Wiese. Der achtjährige Simon Hahn steht mit "Sofi"-Brille in dicker neongrüner Jacke bibbernd auf einen schemelgroßen Stein. Der Himmel mit seinen Sternen, Planeten und Galaxien hat ihn und seinen zehnjährigen Bruder Magnus aus Illingen ganz in seinen Bann gezogen - nicht nur an diesem speziellen Tag. Sein erstes kleines Referat über die Himmelskörper hat Magnus bereits im Vorschulalter gehalten, verrät seine Mutter Heidi. Inzwischen haben sich die beiden Jungs mit einem Papp-Bausatz ein eigenes kleines Teleskop gebaut.

Ganz allmählich wird es wieder Licht - die laue Luft setzt die Himmelsgucker in Bewegung, der Rasen leert sich. Manche sind von weiter hergekommen - aus Luxemburg, Trier oder aus Frankenthal, wie Andreas und Christel Tauber. Sie mögen die Atmosphäre und die gute Sicht auf den Peterberg. "Das ist hier ein bisschen wie bei einem Happening", sagt Christel Tauber.

Für echte Amateurastronomen wie Peter Lukas und seine Frau Stefanie, die die Sternbeobachtung zusammengebracht hat, ist das Schauspiel allerdings noch nicht zu Ende. Sie warten geduldig an ihren Teleskopen, bis sich die Sonne ihre Macht vollständig zurückerobert hat.

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HintergrundIn den Stunden nach der Sonnenfinsternis haben sich mehr Menschen als sonst bei Augenkliniken gemeldet. "Es kamen vermehrt Patienten in die Notaufnahme", berichtete eine Sprecherin der Charlottenklinik Stuttgart. Bei der Klinik für Augenheilkunde der Uni Frankfurt meldeten sich bis zum Nachmittag rund 15 "Sofi"-Fans. Experten hatten eindringlich davor gewarnt, ohne Schutz in die Sonne zu schauen. Nicht negativ hat sich die Sonnenfinsternis auf die Stromnetze ausgewirkt. "Die Netzbetreiber waren gut vorbereitet. Die Prognosen haben gestimmt und die Stromnetze sind stabil geblieben. Eine Gefahr für die Stromversorgung hat nicht bestanden", teilte die Bundesnetzagentur mit. Eine Wolkendecke hat im entscheidenden Augenblick die Sicht auf die totale Sonnenfinsternis auf den Färöer-Inseln versperrt. Eine Viertelstunde später klarte es plötzlich auf. Enttäuscht waren die meisten der extra angereisten Touristen aber nicht, hieß es. dpa

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