Nur wenige Beispiele in der Historie Der steinige Weg zu Neuwahlen

Berlin · Bislang kennt die Bundesrepublik nur drei Beispiele für eine Auflösung des Parlaments. In allen Fällen scheiterten die Kanzler absichtlich an einer Vertrauensfrage.

 Helmut Kohl verlor 1982 absichtlich die Vertrauensfrage.

Helmut Kohl verlor 1982 absichtlich die Vertrauensfrage.

Foto: dpa/Egon Steiner

Auch wenn Präsident Frank-Walter Steinmeier derzeit alles daran setzt, Neuwahlen abzuwenden – der vorgezogene Urnengang scheint derzeit als wahrscheinlichster Ausweg aus der Krise. Dabei hat die Bundesrepublik damit relativ wenig Erfahrung.

Es ist das Jahr 1972: In Bonn regieren SPD und FDP. Erstmals in der Geschichte der BRD stellt Kanzler Willy Brandt (SPD) die Vertrauensfrage im Parlament. Eigentlich soll dieses Instrument zur Disziplinierung der eigenen Reihen dienen. Weil der Bundestag kein Selbstauflösungsrecht kennt, greift Brandt zu dem Mittel, um die Abstimmung absichtlich zu verlieren und so Neuwahlen herbeizuführen. In den eigenen Reihen muss man sich dazu verabredungsgemäß der Stimme enthalten oder mit „Nein“ votieren. Ziel von Brandt ist es, das Patt aufzulösen, welches sich im Zuge seiner umstrittenen Ostpolitik entwickelt hat. Immer mehr Abgeordnete von SPD und FDP sind zur Unionsfraktion gewechselt, so dass Stimmengleichheit zwischen den Lagern herrscht. Nach der negativ beschiedenen Vertrauensfrage löst der Bundespräsident den Bundestag auf. Die Neuwahlen gewinnt Brandt.

Rund zehn Jahre später kommt es zu einem ähnlichen Szenario. SPD und FDP haben sich vor allem wegen der Wirtschaftspolitik entzweit. Mehrere Minister der Liberalen treten zurück. Schließlich wird Kanzler Helmut Schmidt (SPD) von der Mehrheit der FDP-Fraktion und den Unionsstimmen durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt und Helmut Kohl (CDU) zum Nachfolger gewählt. Weil Kohl aber seine christlich-liberale Koalition auch durch Volkes Stimme legitimieren will, stellt er Ende 1982 die Vertrauensfrage und verliert sie absichtlich. Trotz großer Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit macht der Bundespräsident mit – im Frühjahr wird neu gewählt. Kohl gewinnt.

 Willy Brandt führte 1972 erstmals Neuwahlen herbei.

Willy Brandt führte 1972 erstmals Neuwahlen herbei.

Foto: dpa/Rohwedder
 Zuletzt wurde das Parlament 2005 unter Gerhard Schröder aufgelöst.

Zuletzt wurde das Parlament 2005 unter Gerhard Schröder aufgelöst.

Foto: dpa/dpaweb/Z1004 Peer Grimm

Auch sein Amtsnachfolger Gerhard Schröder bedient sich der Vertrauensfrage, um sie mit Vorsatz zu verlieren. Und es ist noch windiger. Denn eigentlich gibt es in der inzwischen regierenden Koalition aus SPD und Grünen keine größeren Probleme. Auch steht die Mehrheit. Schröder sieht aber für seine „Agenda 2010“ keine Zustimmung in der Bevölkerung. Zuletzt hat die SPD Landtagswahlen in Serie verloren. Höhepunkt des Debakels ist im Mai 2005 Nordrhein-Westfalen. Zwei Monate später geht die Vertrauensfrage wie geplant gegen Schröder aus, worauf der Bundespräsident Neuwahlen ausruft, die Schröder nur knapp verliert – gegen Angela Merkel, die seitdem schon zwölf Jahre regiert.

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