Der Retter der „Hauskocherei“

Auf diese Kücheneinrichtung könnte man neidisch werden. Hier findet man alles, was nötig ist, um für mehr als 100 Leute zu kochen.

 Arpad Dobriban beim gemeinsamen Kochen mit Roselie Stief in seinem Koch-Lkw auf dem Schulhof in St. Ingbert-Hassel. Auf den Tisch kommt, was früher in Großfamilien serviert wurde. Foto: Iris Maurer

Arpad Dobriban beim gemeinsamen Kochen mit Roselie Stief in seinem Koch-Lkw auf dem Schulhof in St. Ingbert-Hassel. Auf den Tisch kommt, was früher in Großfamilien serviert wurde. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

In den letzten Monaten stand der große Wagen von Arpad Dobriban aus Düsseldorf immer mal wieder im Biosphärenreservat Bliesgau. Als wir ihn zum ersten Mal sehen, duckt er sich zwischen Hauswänden auf einem Schulhof in St. Ingbert-Hassel. In grünlich-grauer Tarnfarbe - als warte er auf einen Bundeswehreinsatz. Doch von Feldküche ist das, was im Innern des Lastwagens geschieht, weit entfernt.

Roselie Stief, Lehrerin aus St. Ingbert, auf deren Stundenplan in der Gemeinschaftsschule Quierschied auch das Fach Hauswirtschaft steht, hat Kalbsnierenbraten auf dem Zettel. Wie früher. Dieses "wie früher" ist Motto für Dobribans Tun. Der 1957 in Ungarn geborene Koch-Ethnologe hat an der Kunstakademie Düsseldorf und an der Städelschule Frankfurt studiert. Mit Kochen beschäftigt er sich seit 20 Jahren. Auch künstlerisch. Rezepte sammelt er schon seit geraumer Zeit. Es geht ihm um die "Hauskocherei". Ein ungewöhnliches Wort für eine besondere Sache.

In Mannheim hat Dobriban 2007 gezeigt, was er kann. Im Biosphärenreservat Bliesgau soll im September unter seiner Regie eine lange Tafel gedeckt werden. Auf den Tisch kommt, was früher in Großfamilien auf den Tisch kam. Zum Beispiel der Kalbsnierenbraten. Für einen solchen Sonntagsbraten nimmt sich heute kaum noch einer die Zeit.

Dobribans "Versuch zur Rettung der Hauskocherei" passt gut in das Biosphärenreservat, einer von der Unesco ausgezeichneten Modellregion. Folglich wird er aus dem Geldtopf des Reservates auch bezahlt. 30 000 Euro kostet der kulinarisch-künstlerische Rettungsversuch über mehr als ein Jahr hinweg, ein Großteil davon erhält Dobriban.

In Mannheim ist damals ein schönes Büchlein entstanden, aus dem wir erfahren, wie Frau Bucher Spätzle zubereitet und Herr Buchmüller den Schweinebraten kurpfälzischer Art. Denn vor dem Kochen wird geredet: Dobriban hört zu, schreibt auf. So wie man früher Rezepte gesammelt und von Generation zu Generation weitergegeben hat. Das schätzt er. Was in Vergessenheit geraten ist, will er zurückholen. Und weitergeben, zum Beispiel in Schulen.

Dobriban bringt von überallher Rezepte mit. Und der Kochethnologe rührt nicht nur in seinem Küchenwagen in den Töpfen. Letztes Jahr im August stand sein Kochtopf in der historischen Markthalle in Blieskastel. Am Vorabend des Biosphärenfestes hat er dort bei der Veranstaltung "Festtagsgaben" zubereitet, was sonst auf dem Komposthaufen landet oder im Hasenstall: Möhrengrün, Kohlrabigrün, Kräuter, die sich auf Wiesen finden. Das hat er stundenlang gekocht. Wohl wissend, dass Ernährungsexperten bei dieser langen Garzeit gerne den Zeigefinger erheben und sagen würden: Langes Kochen verringert den Vitaminanteil! Das ist Dobriban, wenn er Grünzeug gart, allerdings wurscht. Es geht um den Geschmack. Dobribans "Erba Cotta" (nach dem Rezept einer Köchin in San Francisco) schmeckt leicht bitter - und mit jedem Kauen besser.

So weist er uns mit ganz einfachen Mitteln auf einen grundlegenden Fehler unserer Wegwerfgesellschaft hin. Was nicht schön aussieht, wollen wir nicht essen. Kein Wunder, stecken wir doch alle in der bunten Werbefalle.

Die "Erba Cotta" schätzt Arpad Dobriban, bei seiner Hauskocherei bleibt er jedoch nicht vegetarisch. Die Männer und Frauen, die ihm ihre Rezepte verraten, geben hier den Ton an. Wenn sie Braten vorschlagen, wird das Rezept für Braten aufgeschrieben. Roselie Stief begnügt sich damit nicht. An dem Tag, als Dobribans Kochwagen zu ihrer Küche wird, gibt es zudem Bayrisch Kraut, Endiviensalat und Wolfszähne als Nachtisch. Roselie Stief erinnert sich: Früher hatte jede Frau ein Blech für das Gebäck im Schrank. Sie hat ihres mitgebracht. Sie rührt Zucker, Eier Mehl, Vanille, Zitronenschale und Salz zusammen und gießt die Masse in die Form.

Dobriban, der zurückhaltende Mann mit der schwarzen Brille, steht am Ausgang seines Kochwagens und raucht. "Früher habe ich gar nicht gerne gegessen", sagt er. "Bis ich 17 oder 18 war, war das Essen eine lästige Angelegenheit." Lediglich eine Ausnahme hat er als Junge gemacht: "Mohnnudeln waren schon als Kind der Renner." Dann spricht er vom Strudel der Großmutter oder dem Hefeteig mit Sauerkirschen .

Dobriban dreht sich um und schaut in den Wagen mit den drei Öfen und dem Gasherd. Roselie Stief braucht ein wenig Unterstützung. Er wird zum Küchen-Assistenten. "Wieviel Grad wollen wir nehmen?", fragt er. Und flucht, als das Blech nicht in den Ofen passt. "Die Leute, die Küchenwerkzeuge herstellen", brummelt er, "haben mit Sicherheit noch nie gekocht." Etwa vier Stunden wird er an diesem Vormittag in Hassel zusammen mit Roselie Stief in seinem Küchenwagen verbringen, bis die Hausmannskost fertig ist. Danach essen sie zusammen.

Dobriban macht meist nicht viele Worte. Noch nicht einmal auf der Theaterbühne. Als das Theater Aachen Jonathan Safran Foers Buch "Tiere essen" inszenierte war Dobriban dabei. Während er kocht, fristen auf der Bühne Tiere ihr elendes Dasein. Drei Schauspieler verwandeln sich in Kühe, Schweine, Hühner. Das sieht eigentlich komisch aus, doch als Zuschauer setzt man nicht einmal zum Lachen an, so schrecklich dicht und deutlich zeigt die Inszenierung das Elend der Massentierhaltung. Harte Kost. Zu hart für zwei Zuschauer, sie gehen. 147 bleiben, viele von ihnen auch, als Dobriban nach der Vorstellung Essen serviert: "Erba Cotta" und Knochensuppe. Ja, aus ausgekochten Knochen.

Die Aachener Inszenierung wirkt lange nach. Gespräche mit Arpad Dobriban tun das auch, obwohl er gar nicht so viel spricht. Vielleicht ist es ja beim Reden wie beim Kochen: Es kommt nicht nur auf die Menge, sondern auf die Qualität der Zutaten an.

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