Andreas Hartmann Der König der Komparsen

St. Ingbert · Warum der Saarländer Andreas Hartmann sogar mit Hollywood-Stars Kinofilme dreht – aber trotzdem lieber unbekannt bleiben will.

 Der Saarländer Hartmann beim Dreh von "Eddie the Eagle", 2015.

Der Saarländer Hartmann beim Dreh von "Eddie the Eagle", 2015.

Foto: Andreas Hartmann

„Sind Sie nicht der Briefträger aus der Lindenstraße?“ Eine Frage, mit der Andreas Hartmann eher selten rechnet. Schon gar nicht an der Kasse im Baumarkt. „Manchmal passiert so etwas eben. Aber das ist ja auch schön.“ Obwohl er lieber „im Hintergrund bleibt“. Eine Tugend für Komparsen wie den 46-Jährigen. „Sonst bist du ganz schnell verbrannt.“ In wie vielen Serien und Kinofilmen der Mann aus dem St. Ingberter Stadtteil Rohrbach schon mitgewirkt hat – ob als Bauarbeiter, Lehrer, Penner oder österreichischer Skisprung-Nationaltrainer – , weiß er nicht genau. „Weit über hundert“, sagt er und winkt ab. „Natürlich mache ich es auch wegen des Geldes. Aber es macht einfach Spaß und man kommt viel herum, man sieht was von Deutschland.“ Und manchmal auch von der Welt.

Zu den „Highlights“ des gebürtigen Saarbrückers gehört nicht nur die Serie „Game of Thrones“, bei der er in Schottland und Malta gedreht hat. Oder der Kinofilm „The Cut“ mit Regisseur Fatih Akin. Mit seiner kleinen Rolle in „Eddie the Eagle“ mit Schauspieler Hugh Jackman schnupperte er gar Hollywood-Luft. „Da war ich wirklich hypernervös“, schwärmt er: „Mit einem Weltstar spielt man ja nicht alle Tage.“ Tragisch nur, dass seine kleine Sprechszene ausgerechnet bei seinem großen Auftritt nicht reingeschnitten wurde. „So ist das eben“, sagt er gelassen. Es komme immer anders als man denkt, „und Szenen, auf die du dich freust – vergiss es“. Hartmann zählt sich zu den Edelkomparsen: immer erreichbar, flexibel einsetzbar und kurzfristig einsatzbereit. „Manchmal ist das Sekundenwerk. Morgens bekomme ich einen Anruf und zwei Stunden später bin ich in Mannheim.“ In Serien wie „Hotel Heidelberg“ oder „Ein Fall für zwei“ ist er quasi Stammgast, ähnlich war es bei Schimanski-Filmen oder Tatort-Produktionen in Konstanz, Ludwigshafen und Stuttgart. Drehtage mit Götz George, Ulrike Folkerts oder Jürgen Vogel waren und sind für ihn schon fast Routine.

Mit gerade mal elf Jahren hat Hartmann im ZDF-Film „Die Buddik“, der 1982 in St. Ingbert gedreht wurde, seinen ersten Auftritt vor der Kamera. Die komplette Crew sei damals im Schlosshof in St. Ingbert untergekommen, dem Hotel seiner Eltern, auch Regisseur Frank Guttke. Und am Ende habe fast die ganze Familie mitgespielt. Sein Vater den Schwiegersohn, er den Sohnemann und sein Bruder den DJ in der Disco. „Komisch war es schon, sich selbst im Fernsehen zu sehen, aber auch ein gutes Gefühl.“

Das gute Gefühl ist geblieben. Selbst wenn es für viele Jahre sein einziger TV-Auftritt bleiben sollte. Aber auf Hotelgastronomie und den Schlosshof hatte er nach seiner Kochausbildung „so gar keinen Bock“, wie er sagt: „Ich bin ein Vagabund, ich muss raus in die Welt, ich brauch das – absolut.“ Viele Jahre schlägt er sich als Koch im Holiday Park in Haßloch sowie in verschiedenen Diskotheken in Ludwigshafen und Neustadt durch, versucht sich am Band bei der BASF und als Lagerist bei Lidl. Bis es ihn schließlich wieder nach Rohrbach zieht. „Weil ich hier aufgewachsen bin.“ Bei einem Transport-Unternehmen in St. Ingbert habe er dann immerhin zwölf Jahre lang gearbeitet. „Sehr gerne“, wie er sagt – „weil es so familiär war.“

Unterwegs ist er schon immer viel und gerne. Nur „der Bezug zur Filmbranche hat gefehlt“, sagt er. Bis ihm „irgendwann in den 90ern“ Frank Horn, der Bekannte eines Bekannten, die Kontakte zu diversen Agenturen in Stuttgart und Mannheim vermittelt. „So kam der Stein ins Rollen“, erinnert er sich, „damals habe ich mich noch per Post beworben.“ Durch das Internet und die sozialen Medien sei jetzt natürlich alles viel leichter. „Es ist ja auch viel einfacher, in zwei Minuten eine Rückmeldung zu haben, als zwei Tage auf eine Bestätigung per Post zu warten.“ Seitdem seien es immer mehr Aufträge geworden. Nur nie genug, um davon leben zu können. So arbeitet er noch heute in der Gastronomie, die ihm die nötige Flexibilität zugesteht. Für eine Neunkircher Eventagentur ist er bei verschiedenen Veranstaltungen oder Streetfood-Festivals in ganz Deutschland unterwegs. „Aber im Filmgeschäft ist das noch ausgeprägter.“ Deshalb sei er so froh, dass seine Chefin viel Verständnis für seine Leidenschaft aufbringt, wenn er kurzfristig mal auf einen Folgedreh muss. „Wenn man einer geregelten Arbeit nachgeht, ist das natürlich schwer, vor allem wochentags, aber für so Spontano-Leute wie mich ist das einfacher.“

Nur ganz so spontan kann Hartmann nicht mehr sein, seit er sich vor zwei Jahren ein zweites Standbein in der Filmbranche aufgebaut hat: Die Set-Security, die dafür verantwortlich ist, dass die Drehs nicht gestört werden. Bei „Alles ist Liebe“ in Frankfurt sei ihm aufgefallen, dass „Blocker“ gebraucht würden. Leute, die Rundbriefe an die Anwohner verteilen, Passanten erklären, was, wann und wo gedreht wird, Straßen absperren und so für die Sicherheit bei den Dreharbeiten sorgen.

„Man erlebt schon viel, aber reich wird man nicht davon.“ Weder mit der Komparserie noch mit der Set-Security. Als Blocker verdiene er zwischen 14 und 18 Euro in der Stunde. Zieht man die Fahrtkosten ab, würden am Ende neun bis zwölf Euro Stundenlohn bleiben. Damit es sich überhaupt lohnt, fährt Hartmann mit dem Fernbus oder Mitfahrgelegenheiten zu den Drehorten und übernachtet bei Bekannten. Oder er verbindet die Arbeit am Set gleich mit einem kleinen Urlaub. Wie etwa für die Serie „Game of Thrones“. Nach Abzug aller Kosten bleibe aber auch nach drei Tagen Dreh mit einem „noch guten“ Tagessatz von 125 Pfund nur noch ein Taschengeld.

Hartmann aber kann sich nicht beschweren. Für dieses Jahr ist er bereits ausgebucht. Das bedeutet zwar, dass freie Tage rar sind, doch er genießt die Chance, die unterschiedlichsten Leute kennenzulernen. Ob in der Gastro oder beim Film. Manchmal vermischen sich auch beide Welten: Etwa beim Günter-Rohrbach-Filmpreis in Neunkirchen 2016. Als der Film „Wild“, in dem er mitgewirkt hat, ausgezeichnet wird, hält er – als Servicekraft gebucht – ein Tablett mit Crémant-Gläsern in der Hand.

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