Wahlkampf-Endspurt Der gefährliche Kampf gegen die AfD

Berlin · Kurz vor der Wahl setzen die etablierten Parteien auf eine Angst-Botschaft: Wer nicht wählt, hilft den Rechtspopulisten.

  Eigentlich zeigt der Pfeil im AfD-Logo nach oben. Nach unten, wie in unserer Grafik, wäre es den anderen Parteien aus Furcht vor dem erwarteten Wahlergebnis lieber.

Eigentlich zeigt der Pfeil im AfD-Logo nach oben. Nach unten, wie in unserer Grafik, wäre es den anderen Parteien aus Furcht vor dem erwarteten Wahlergebnis lieber.

Foto: SZ/Grafik: SZ

Je näher der Wahltag rückt, desto lauter warnen die Politiker der etablierten Parteien vor der AfD. Häufig ist dabei auch der „Nazi“-Vorwurf zu hören. Diese klare Abgrenzung ist zum Teil einer Entwicklung geschuldet, die auch einige Mitglieder der AfD als fortgesetzten „Rechtsruck“ ihrer Partei erleben. Trotzdem ist es eine riskante Strategie. Denn Trotzreaktionen sind beim Wähler nicht ausgeschlossen.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat es klar formuliert. Er befürchtet, dass mit einem Einzug der AfD in den Bundestag „zum ersten Mal nach Ende des Zweiten Weltkriegs im deutschen Reichstag wieder echte Nazis sitzen“. Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht warnt, die AfD brächte „Halbnazis oder sogar richtige Nazis“ mit. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sieht die AfD als schärfsten Konkurrenten im Kampf um Platz drei. Auch er warnt jetzt eindringlich davor, die Rechtspopulisten zu wählen: „Es fängt mit der Verrohung der Sprache an und schließlich kommt Gewalt.“

Auch Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt hofft, mit dem Schreckgespenst AfD die Unentschlossenen zu den Urnen zu treiben. Sie sagt: „Die Gefahr, dass die Nazis von der AfD in den Deutschen Bundestag einziehen, und dass sie stark werden, das macht mir ganz persönlich Sorge, das macht vielen Wählerinnen und Wählern Sorge, und das wird auch Leute animieren, überhaupt zur Wahl zu gehen.“

Roman Maria Koidl, Unternehmer und Publizist, hält diese Strategie der Wähler-Mobilisierung für „wahnsinnig gefährlich, weil das den politischen Gegner stärkt und nicht schwächt“. In seinem neuen Buch „Warum wir Irre wählen“ wirft er der SPD vor, sie habe mit ihrer Kampagne für „soziale Gerechtigkeit“ diesmal „das Thema verfehlt“ und damit auch der AfD genutzt. Er schreibt: „Auf den Straßen halten die Demonstranten keine Plakate gegen soziale Missstände in die Höhe – sie lehnen das politische System insgesamt ab, die Medien und Eliten gleich mit dazu.“ Wer jetzt sage, man dürfe auf keinen Fall die AfD wählen, könne bei Wählern „Trotzreaktionen“ hervorrufen. Denn es bestehe die Gefahr, dass einige von ihnen dann „den Zuspruch für die AfD als einen Widerstand gegen die vermeintliche Bevormundung“ empfänden.

Auf diesen Effekt könne auch die Parteispitze der AfD spekulieren. Jedenfalls antwortet AfD-Chefin Frauke Petry auf die Frage, was sie von den aktuellen Mobilisierungsversuchen der anderen Parteien halte, süffisant: „Ich bin mir sicher, wer vorher nachdenkt und nicht aus Gewohnheit das vermeintlich kleinere Übel wählt, wird am Sonntag die richtige Entscheidung treffen.“ Der Wahlkampfmanager der Grünen, Michael Kellner, sieht keine Gefahr, dass man die Unentschlossenen mit einer starken Anti-Kampagne in die Arme der AfD treiben könnte. Zudem dürfe es kein Schweigen geben zu „völkischer und rassistischer Hetze“.

In diese Kategorie gehört nach Ansicht vieler auch die Äußerung von AfD-Mann Alexander Gauland, der meinte, die Deutschen dürften stolz sein auf „die Leistungen deutscher Soldaten“ im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Buchautor Koidl beschreibt diese Strategie so: „Die AfD schießt einen Ball hoch, die anderen empören sich.“ Dann redeten alle über den Ball, „und damit bestimmt die AfD dann die Agenda“.

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