Frankreichs Präsident „Der einzige Verantwortliche in der Affäre bin ich“

Paris · Nach Tagen des Schweigens äußert sich Frankreichs Präsident Macron zu den Prügel-Vorwürfen um seinen Ex-Bodyguard – und spart nicht mit Kritik.

 Ein Bild aus besseren Tagen: Präsident Macron (r.) mit Sicherheitsmann Benalla, der einen Demonstranten verprügelt haben soll.

Ein Bild aus besseren Tagen: Präsident Macron (r.) mit Sicherheitsmann Benalla, der einen Demonstranten verprügelt haben soll.

Foto: dpa/Christophe Ena

Sechs Tage lang hatte Emmanuel Macron zur Prügel-Affäre um seinen früheren Sicherheitsbeauftragten Alexandre Benalla geschwiegen. Am Dienstagabend kam der Präsident dann aus der Deckung. Nicht vor allen Franzosen, sondern vor einem ausgewählten Publikum übernahm der Staatschef die volle Verantwortung für alles, was rund um den brutalen Auftritt des Nicht-Polizisten Benalla an der Seite der Polizei bei der Mai-Kundgebung in Paris passiert ist. „Der einzige Verantwortliche in der Affäre bin ich“, sagte der 40-jährige Staatschef in einer kämpferischen Tonlage, die an seine Wahlkampfauftritte erinnerte. „Ein Verrat und eine Enttäuschung“ sei das Verhalten Benallas für ihn gewesen, gestand Macron den Abgeordneten seiner Partei La République en Marche (LREM). Obwohl das Treffen im Pariser Lateinamerikahaus hinter verschlossenen Türen stattfand, twitterten die Parlamentarier die Äußerungen des Präsidenten, von denen es auch ein Video gibt, in die Welt hinaus.

„Ich bin es, der Alexandre Benalla vertraut hat. Ich habe die Strafe bestätigt“, versicherte Macron und machte damit klar, dass keiner seiner Mitarbeiter als Bauernopfer herhalten muss. Der 26-Jährige Bodyguard, der bereits im Wahlkampf Macrons Leibwächter war, wurde nach seiner Entgleisung nur milde bestraft und für zwei Wochen vom Dienst suspendiert. Die Justiz schaltete der Elysée-Palast nicht ein. Das geschah erst, als die Zeitung „Le Monde“ vor einer Woche Benalla auf dem Gewaltvideo identifizierte, das seit dem 1. Mai im Internet zirkulierte. Der Präsident nutzte seinen Auftritt zu einer Kritik an den Medien. „Wir haben eine Presse, die nicht mehr die Wahrheit sagt.“ Er spielte dabei auf pikante Details an, die über die privilegierte Stellung des Leibwächters bekannt wurden. Macron dementierte einen Teil dieser Informationen auf ironische Weise: „Alexandre Benalla hat nie die Atomcodes besessen, er hat nie eine Dienstwohnung von 300 Quadratmetern bewohnt, er hat nie 10 000 Euro verdient, er war nicht mein Geliebter.“ Seinen Gegnern warf der Präsident vor, eine Republik des Hasses und der Sündenböcke zu wollen.

Ausschüsse von Nationalversammlung und Senat untersuchen derzeit parallel die Ereignisse des 1. Mai. Dabei sollen Verantwortliche des Elysée und der Polizei klarstellen, ob es rund um Benalla eine parallele Sicherheitsstruktur für den Präsidenten gab, der eigentlich von einer Spezialtruppe der Polizei beschützt wird. Regierungschef Edouard Philippe warf unterdessen den Abgeordneten vor, sich im Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung als Staatsanwälte aufzuspielen. „Die Nationalversammlung ist kein Tribunal.“ Individuelles Fehlverhalten wie das von Benalla sei noch keine Staatsaffäre.

Mit dem Auftritt des Präsidenten, der in seiner Zustimmung im Zuge der Affäre in Umfragen vier Prozentpunkte verlor und laut einer Ipsos-Umfrage nun noch bei 32 Prozent liegt, dürfte die Angelegenheit allerdings noch nicht vom Tisch sein. „Nicht vor den LREM-Abgeordneten, also vor Seinesgleichen, sollte der Präsident sprechen, sondern vor den Franzosen, von denen er seine Legitimität hat“, sagte Senatspräsident Gérard Lacher der Zeitung „Figaro“. Er liegt damit auf einer Linie mit 75 Prozent der Franzosen, die laut Umfrage eine öffentliche Erklärung Macrons fordern.

Für den konservativen Larcher ist mit der Affäre Benalla auch Macrons Anspruch auf eine moralisch einwandfreie Staatsführung verspielt, mit der er vor gut einem Jahr angetreten war. „Der Mythos der neuen Welt ist zusammengebrochen. Das Symbol des Louvre ist am Platz Contrescarpe zerschellt.“ Der Präsident will diese Interpretation nicht gelten lassen. Beispielhaftigkeit bedeute keine Unfehlbarkeit, sagte er vor den Abgeordneten. Die Kritik der Opposition scheint ihn ohnehin nicht zu stören: „Wenn sie einen Verantwortlichen suchen, sollen sie sich mit mir anlegen“, forderte er seine Gegner auf. Ganz so, als handele es sich um eine Schulhofprügelei und nicht um eine Krise.

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