Steuerschätzung Der Geldregen ist nicht mehr ganz so stark

Berlin · Der Arbeitskreis Steuerschätzung hat seine Prognose veröffentlicht. Finanzminister Scholz sieht eine „Normalisierung“.

 Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kann nur mit kleinen Mehreinnahmen rechnen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kann nur mit kleinen Mehreinnahmen rechnen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die deutsche Wirtschaft verliert an Fahrt, und das drückt auch auf die Prognose für die Steuereinnahmen des Staates. Bund, Länder und Kommunen können zwar weiter mit einem Geldregen rechnen. Aber nicht mehr ganz so stark wie in der Vergangenheit. Nach der gestern veröffentlichen Steuerschätzung werden in diesem Jahr zwar 3,2 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen erwartet als noch bei der letzten Prognose im Mai angenommen. Gemessen an den früheren Vorhersagen stag­nieren die Zuwächse aber in den Folgejahren oder gehen zum Teil sogar leicht zurück.

Wie sieht die aktuelle Prognose aus?

Die öffentliche Hand kann in diesem Jahr mit Steuereinnahmen von insgesamt 775,3 Milliarden Euro rechnen. Bis 2023 sollen die Einnahmen auf insgesamt 940,7 Milliarden steigen. Das ist ein Plus gegenüber der Mai-Schätzung von 6,7 Milliarden Euro. Allein für den Bund werden die Steuereinnahmen bis 2023 auf 377,2 Milliarden Euro anwachsen. Im Vergleich zur Mai-Schätzung sind das aber insgesamt nur noch zwei Milliarden Euro mehr. Und auch das fast ausschließlich wegen der guten Entwicklung in diesem Jahr.

Welche Annahmen liegen den Zahlen zugrunde?

Die aktuelle Prognose basiert auf der vor zwei Wochen veröffentlichten Herbstprognose der Bundesregierung. Demnach erwartet sie einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von jeweils nur noch 1,8 Prozent in diesem und im nächsten Jahr. In der Frühjahrsprognose war man noch von einem Plus von 2,3 Prozent beziehungsweise 2,1 Prozent ausgegangen.

Was bedeutet das Ergebnis politisch?

Trotz der Abstriche bei den Zuwächsen handelt es sich immer noch um Rekordeinnahmen. Denn nach wie vor floriert der Arbeitsmarkt. An dem seit 2014 ausgeglichenen Bundeshaushalt wird sich zumindest bis zum Ende der Wahlperiode im Jahr 2021 auch nichts ändern. Das heißt, neue Kredite bleiben weiter tabu. Außerdem könnte die deutsche Staatsverschuldung erstmals seit 2002 wieder unter die EU-Vorgabe von 60 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt sinken.

Was reagiert der Bundesfinanzminister?

Olaf Scholz (SPD) sprach von einer „Normalisierung der Einnahme-Entwicklung“. Es gebe nur noch „geringe zusätzliche Einnahmespielräume“. Forderungen nach einer großen Steuerreform und einer kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlages, wie es zuletzt auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geltend gemacht hatte, wies der Kassenwart zurück.

Was ist mit den kleineren Mehreinnahmen geplant?

Scholz nannte drei Felder, die für leichte Ausgabenzuwächse in Betracht kommen: die Entwicklungshilfe, der Verteidigungsetat sowie die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung. Derzeit werde hier an einem Konzept für Steueranreize gearbeitet, sagte der Finanzminister.

Was sagt die Opposition?

Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke bemängelte, dass Schwarz-Rot bei den Ausgaben des Bundes immer weiter draufsattelt anstatt die Bürger spürbar stärker als geplant zu entlasten. Dagegen forderte Frickes Fachkollegin von den Linken, Gesine Lötzsch, sogar neue Steuern, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Dazu zählte sie eine Finanztransaktionssteuer sowie eine Vermögenssteuer. „Bitter nötig“ seien auch mehr Investitionen in die soziale Infrastruktur.

Wer sind die Steuerschätzer?

Der Arbeitskreis Steuerschätzung setzt sich aus Experten der zuständigen Bundes- und Landesministerien, der führenden Wirtschaftsinstitute, des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der kommunalen Spitzenverbände sowie Vertretern der Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes zusammen. Der Arbeitskreis tagt regelmäßig im Mai und im Herbst. Seine Prognosen dienen als Basis für die Aufstellung der öffentlichen Haushalte.

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