„Der Antrieb ist die Wirtschaft, nicht die Sprache“

Nach vier Jahren verlässt der französische Generalkonsul Frédéric Joureau das Saarland Ende des Monats Richtung Paris. Im Gespräch mit SZ-Redakteurin Hélène Maillasson erzählt er, in welchen Bereichen sich die Grenzregion künftig stärker positionieren sollte und warum eine Vertretung Frankreichs an der Saar wichtig ist.

 Frédéric Joureau wechselt zur französischen Atomaufsicht.

Frédéric Joureau wechselt zur französischen Atomaufsicht.

Foto: B&B

Herr Joureau, Ihre Amtszeit endet. Wenn Sie zurückblicken, in welchem Bereich war Ihr Einsatz als Diplomat besonders erfolgreich?

Joureau: Ich denke, dass wir bei der Vereinigung des Arbeitsmarktes einiges vorangebracht haben. Warum das unerlässlich ist, zeigen die Arbeitslosenzahlen in Lothringen und die Demografie im Saarland. Wir müssen unsere Stärken bündeln, um unsere Schwächen zu bekämpfen. Das haben wir mit den grenzüberschreitenden Vermittlungsstellen geschafft. Rund 60 Prozent der 2000 beratenen Menschen sind heute wieder im Job. Auch im Austausch von Azubis hat sich etwas getan. Wir haben die Rahmenbedingungen für eine Ausbildung mit dem praktischen Teil im Partnerland gestellt. Zwar sind die Ergebnisse nach zwei Jahren mit knapp 15 unterschriebenen Verträgen noch bescheiden, aber die Grundlage stimmt.

Trotz einer gemeinsamen Vergangenheit scheinen das Saarland und Lothringen immer mehr auseinanderzudriften - größtenteils wegen der Sprache . Sind die "Frankreich-Strategie" des Saarlandes und ihr Pendant in Lothringen die letzte Chance, um den deutsch-französischen Motor hier an der Grenze wieder zum Laufen zu bringen?

Joureau: Die "Frankreich-Strategie" ist eine historische Chance. Aber ich habe zwei Befürchtungen. Da jetzt der politische Rahmen gesetzt wurde, brauchen wir Inhalte, um ihn zu füllen. Meiner Meinung nach kann man nicht jeden Bereich einzeln vorantreiben, auf einer Seite die Kultur, auf der anderen die Wirtschaft oder die Sprache . Die Zweisprachigkeit ist kein Selbstzweck. Wir brauchen einen Antrieb für alle Projekte, und für mich ist es die Wirtschaft, nicht die Sprache . Wirtschaftliche Investitionen werden die Zweisprachigkeit, den grenzüberschreitenden Verkehr oder auch die Annäherung beider Kulturen zwangsläufig mit sich bringen.

Wie könnte das aussehen?

Joureau: Ich bin davon überzeugt, dass wir grenzüberschreitende Cluster brauchen. In Frankreich wurden solche Cluster gegründet, dort gibt es zurzeit die niedrigste Arbeitslosigkeit und das größte Wachstum des Landes. In unserer Region bieten sich dafür Themen wie die Automobilindustrie, die Silver Economy, die Informationstechnologien oder die regenerativen Energien an. Ich denke, dass hier der wirtschaftliche Antrieb noch fehlt. Dafür müssen Paris und Berlin ein positives Signal senden.

Wo hakt es noch in der grenzüberschreitenden Kooperation?

Joureau: Bei der Gesundheitsversorgung. Da bin ich ziemlich enttäuscht, dass wir noch nicht zu einem Abschluss gekommen sind. Ich finde, dass sich die Ansprechpartner hier in Details verloren haben, vor allem die Krankenkassen. Es ging beim Projekt "MoSaar" um einen Versuch für drei Jahre. Danach hätte man ihn fortführen, verbessern, aber auch stoppen können, wenn es nicht geklappt hätte. Stattdessen wurde es noch nicht einmal gestartet.

Welchen Rat würden Sie der Großregion geben?

Joureau: Die Staaten müssen sich gegenseitig ein Recht zum Experimentieren einräumen. Sie müssen Ausnahmen speziell für grenzüberschreitende Pilotprojekte zulassen. Nur so kann der Wirrwarr der unterschiedlichen Gesetzgebungen überwunden werden. Außerdem kann man nicht alles sofort multilateral zwischen so vielen Ländern bewerkstelligen. Ich bin überzeugt davon, dass Projekte zuerst bilateral zwischen zwei Ländern in die Praxis umgesetzt werden müssen. Das ist schon kompliziert genug.

Saarbrücken befindet sich nur ein paar Kilometer von der Grenze entfernt. Kann sich Frankreich in Zeiten klammer Kassen hier noch ein Generalkonsulat leisten?

Joureau: Ja. Das Generalkonsulat hat heute andere Aufgaben als vor 15 Jahren. 95 Prozent meiner Arbeit leiste ich in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und nicht mehr in konsularischen Angelegenheiten. Natürlich kümmern wir uns weiterhin um die Organisation der Stimmabgabe, wenn in Frankreich Wahlen sind. Und wir helfen Familien, Probleme mit den französischen Behörden zu klären. Eine diplomatische Präsenz ist aber wichtig, weil man dadurch frühzeitig Probleme erkennt, die von Frankfurt oder von Berlin aus als zweitrangig erscheinen. Das war zum Beispiel der Fall bei der Güdinger Schleuse. Hätte man aus Saarbrücken nicht den Druck erhöht und die wichtigsten Akteure schnell zusammen an einen Tisch gebracht, hätte man eine neue Grenze auf der Saar geschaffen.

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