Ehe für alle Das lange Ringen für die „Homo-Ehe“

<irspacing style="letter-spacing: -0.007em;">Saarbrücken/Berlin</irspacing> · Bei der Öffnung der Ehe für Homosexuelle kommt es am Freitag zum Showdown – und das Koalitionsklima ist vergiftet.

Es ist das Thema in Deutschland: Spätestens seit dem SPD-Parteitag am Sonntag dreht sich alles nur noch um die „Ehe für alle“. Dabei schien der Antrag des Bundesrates von 2015 dazu schon längst in der Schublade der Koaltion weggepackt zu sein. Zumindest für diese Legislaturperiode. Das glaubte nicht nur die Union. Auch der Saarbrücker Hasso Müller-Kittnau befürchtete das. „Das ist unglaublich“, sagte der Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands Saarland gestern zur SZ.  Doch es ist so. Der Bundestag wird am Freitag tatsächlich über die Öffnung der Ehe und damit auch das volle Adoptionsrecht für Schwule und Lesben entscheiden. „Dafür haben wir so viele Jahre hart gekämpft“, sagt Müller-Kittnau.

Der „Showdown“ im Plenum steigt um acht Uhr in der Früh. Besonders gefordert sind jetzt die Parlamentsgeschäftsführer: Sie müssen für „größtmögliche Präsenz“ sorgen, wie es heiß. Jeder sollte an Bord sein. Denn die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind pikant: SPD, Linke und Grüne verfügen über 320 Abgeordnete, die Union über 309 plus der fraktionslosen, konservativen Erika Steinbach. Tritt Rot-Rot-Grün nicht geschlossen an, droht womöglich eine bittere Schlappe. Dann könnte die „Ehe für alle“ noch scheitern.

Deswegen wird derzeit viel telefoniert und an die knappen Mehrheitsverhältnisse erinnert. Nachdem der Rechtsausschuss des Bundestages gestern mit den Stimmen von Rot-Rot-Grün und gegen die Union den Bundesrats-Gesetzentwurf zur „Ehe für alle“ passieren ließ, muss das Plenum einen Aufsetzungsantrag beschließen. Da will die Union noch mal mauern. Erhält der Antrag die rot-rot-grüne Mehrheit, soll im Bundestag debattiert und in namentlicher Abstimmung über die völlige Gleichstellung homosexueller Paare entschieden werden. Bei diesem entscheidenden Votum können die Abgeordneten von CDU und CSU dann frei nach ihrem Gewissen entscheiden. Die Jusos im Saarland hoffen, dass sie dabei „Farbe bekennen“ und „ihre Stimme für das moderne Deutschland“ abgeben werden.

Der Beschluss sei „schon lange überfällig“, meinte gestern auch die SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht in Berlin. Grüne, FDP und Linke sehen das ähnlich. Zahlreiche Abgeordnete bei CDU/CSU sind indes sauer darüber, wie die SPD sich verhalten hat, nachdem die Kanzlerin das Thema mehr oder minder ungeschickt zur Gewissensfrage erklärt hatte. Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer (CDU) betonte, er rechne von Unionsseite mit einer großen Mehrheit gegen die Einführung der Homo-Ehe. Vielen in der Union sei „der Schutz von Ehe und Familie ein wichtiges Thema“.

Darauf baut auch die katholische Kirche. Die Ehe sei „die Lebens- und Liebesgemeinschaft von Frau und Mann als prinzipiell lebenslange Verbindung mit der grundsätzlichen Offenheit für die Weitergabe von Leben“, schrieb gestern der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx in einer gemeinsamen Erklärung der Bistümer.

Die Hauptvorwürfe der Union gegen die Genossen lauten übrigens: „Vertragsbruch“ und „Verstoß gegen die Koalitionsdisziplin“. Sie besagt, dass die Partner nicht mit der Opposition stimmen und nur einvernehmlich Anträge in den Bundestag einbringen. Lambrecht wollte den Vorwurf allerdings nicht gelten lassen: „Wir haben keinen Vertragsbruch begangen.“ Die Kanzlerin habe das Votum über die „Ehe für alle“ freigegeben, dann dürfe man auch nicht das Zustandekommen der Abstimmung verhindern wollen.

Fest steht freilich: Das Koalitionsklima ist auf den letzten Metern der Legislaturperiode vergiftet. Bei der SPD stellt man sich schon darauf ein, dass die Union die erstmalige rot-rot-grüne Kooperation im Bundestag im Wahlkampf ausschlachten wird. Führende Genossen hoffen aber, dass die klare Kante gegen Merkel ihre Wähler mobilisiert. Viele in der Union erwarten auch deshalb eine klare Reaktion. „Für die Partei wäre es gut, wenn wir unterscheidbar blieben“, kommentierte Wolfgang Bosbach (CDU), Mitglied des konservativen Berliner Kreises, vielsagend. CSU-Mann und Kanzlerin-Gegner Hans-Peter Friedrich malte schwarz: „Es geht um die weitere Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung.“ Und die AfD im Saarland warnte, dass mit der „Ehe für alle“ einem „Ausufern der Regelung wie in den in Kolumbien neuerdings zugelassenen polygamen Ehen zu sehen, Tür und Tor geöffnet“ würde.

Müller-Kittnau hält solche Aussagen für „Unsinn“. Sie ändern wohl auch nichts daran, dass hunderte Homosexuelle im Saarland, die allein in den vergangenen drei Jahren eine Lebenspartnerschaft eingetragen haben, dem Freitag entgegen fiebern. Denn dann könnte daraus auch offiziell endlich eine normale Ehe werden. 

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