Terrorverdacht Das Haus, in dem Islamisten gelebt haben sollen

Saarlouis · Spezialeinheiten der Polizei nehmen in Saarlouis-Roden zwei Syrer fest, die unter Terrorverdacht stehen. Anwohner sind schockiert.

 Roden am Freitagnachmittag: In diesem Haus (hinter den Tonnen) in der Saarwellinger Straße nahm die Polizei am Donnerstag zwei Syrer fest. Ihnen wird Mitgliedschaft in einer Terror-Vereinigung vorgeworfen.

Roden am Freitagnachmittag: In diesem Haus (hinter den Tonnen) in der Saarwellinger Straße nahm die Polizei am Donnerstag zwei Syrer fest. Ihnen wird Mitgliedschaft in einer Terror-Vereinigung vorgeworfen.

Foto: Ruppenthal

Eine Durchgangsstraße im Saarlouiser Stadtteil Roden, über die Autos, Lastwagen und Busse donnern. Ein Zubringer zur A 8 ist die Saarwellinger Straße, kein ruhiges Pflaster. Mehrfamilienhäuser mit 50er-Jahre-Anmutung säumen die schnurgerade Strecke. Kaum ein Mensch lässt sich am Freitagnachmittag draußen blicken. Bis auf einen hageren Mann mit verschränkten Armen in Muskel-Shirt und kurzer Hose. Er steht vor einem dreckig-weißen Haus mit heruntergelassenen, grauen Plastik-Rollläden, die bessere Zeiten gesehen haben.

Peter Thiel wohnt hier seit vier Monaten in der ersten Etage. Der einzige Deutsche in dem Mehrparteienhaus will alles mitbekommen haben, was sich dort am Vorabend zutrug. „Die sind hier mit mehreren Polizeiautos angekommen, schwer bewaffnet und mit Hunden“, berichtet der 54-Jährige. Das war gegen 18 Uhr am Donnerstag. Dann sollen die Polizisten die Treppe des engen Hausflurs hinauf ins zweite Stockwerk gestürmt sein und eine Tür eingeschlagen haben. Zu der Wohnung, in der mehrere Flüchtlinge untergebracht sind. Ein großes Loch klafft jetzt dort, lässt einen kurzen Blick in die menschenleere Wohnung erhaschen. Hier nahm die Spezialeinheit zwei Männer fest. Syrer, die nach Auskunft eines Sprechers des Landespolizeipräsidiums als Kriegsflüchtlinge 2015 nach Deutschland gekommen sind. Hussein A. (23) und Mamar A. (27) sollen in ihrer Heimat Mitglieder von Terrororganisationen gewesen sein. Der 23-Jährige soll in Deutschland im Auftrag der Miliz Ahrar Al-Sham Kämpfer für den syrischen Bürgerkrieg gegen das Assad-Regime rekrutiert haben.

„Ich kenne die, man hat sich gegrüßt“, berichtet Thiel. „Sehr nett“ seien sie ihm gegenüber aufgetreten. Mehr wisse er nicht von ihnen. Wie übrigens auch von den anderen Hausbewohnern. Hier seien alle außer ihm Flüchtlinge, ein ständiges Kommen und Gehen. Enge Kontakte untereinander könne es allein deswegen nicht geben. Hinzu kommt die Sprachbarriere: Viele Flüchtlinge lernen gerade erst Deutsch, Thiel spricht Saarländisch.

Was schon in dem Miethaus auf engstem Raum nicht funktioniert, reicht erst recht nicht zu den Nachbarn der umliegenden Häuser. „Ich hab’ da was gehört“, äußert sich eine Frau im schräg gegenüberliegenden Haus wortkarg zu den Vorkommnissen vor nicht einmal 24 Stunden. „Aber was da gelaufen ist, weiß ich nicht“, schildert sie und zeigt sich recht desinteressiert. Wie ein Mann, der mit seinem Wagen vorfährt und aussteigt: „Als ich gegen Abend kam, war da Polizei. Mehr weiß ich nicht“, sagt er, bevor er eilig hinter der Tür nebenan verschwindet.

Nicht nur in Roden schlugen die Ermittler zu. Während des Großeinsatzes in Saarlouis gingen Kollegen am Donnerstag in Eppelborn-Dirmingen ebenfalls gegen einen Terrorverdächtigen vor. Dort nahmen sie das mutmaßliche IS-Mitglied Mohasem A. (21) fest, der ebenfalls in Saarlouis-Roden gemeldet ist. Alle drei Komplizen werden nach bisherigem Ermittlungsstand des Staatsschutzes verdächtigt, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein.

Mit dieser Information konfrontiert, zuckt am Freitagnachmittag in Roden ein junger Iraker zusammen, der in einem mit Möbelspenden spartanisch eingerichteten Appartement des betroffenen Hauses lebt. Während des Polizeieinsatzes am Vortag war er nicht da. Der 18-Jährige kennt die beiden Syrer, hätte aber nie so etwas von ihnen angenommen. Religiöse Feindschaften seien im Islam zwar häufig. Darum komme es schließlich zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen in arabischen Staaten, sagt er. Aber hier in Deutschland, im Saarland, in Saarlouis, in seinem Haus – das schockt ihn.

Ermittler gingen parallel dazu gegen zwei weitere Syrer (21 und 26) vor, die in Saarbrücken-Burbach gemeldet sind. Offenbar stehen diese Ermittlungen in Zusammenhang mit denen gegen die drei Männer, die mittlerweile in rheinland-pfälzischen Gefängnissen in Untersuchungshaft sitzen. Nach SZ-Informationen wurde einer von ihnen auf der A 6 bei Homburg gestoppt. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Drogenhandel. Der Ältere sollte am Freitag dem Haftrichter am Saarbrücker Amtsgericht vorgeführt werden. Der zweite kam wieder frei. Die Ermittler beschlagnahmten in deren Wohnungen Beweismittel, darunter Funktelefone, Computer sowie Rauschgift.

Nicht nur im Saarland waren Sondereinheiten im Einsatz: Im bayerischen Ingolstadt durchsuchten sie die Wohnung von Meysar A., Bruder des in Saarlouis gefassten Mamar A.. Er wird verdächtigt, im Zusammenhang mit der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu stehen. Auch er ist wieder aus der Haft entlassen.

 Ein Koran liegt neben einer Zahnpasta-Tube in der Wohnung, in der die beiden Verdächtigen lebten. Die meisten Bewohner in dem Haus im Saarlouiser Stadtteil Roden sind Flüchtlinge.

Ein Koran liegt neben einer Zahnpasta-Tube in der Wohnung, in der die beiden Verdächtigen lebten. Die meisten Bewohner in dem Haus im Saarlouiser Stadtteil Roden sind Flüchtlinge.

Foto: BeckerBredel

In Roden war der Spuk am späten Donnerstag gegen 23 Uhr vorbei. Es kehrte wieder Ruhe im Haus ein, während der Verkehr auf der viel befahrenen Straße vorbeidonnerte, als wäre nichts geschehen.

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