Sondierungspapier Das Groko-Kreuz der Genossen

Berlin · Das parteiinterne Werben der SPD für die große Koalition geht weiter. Kritiker haben es schwer – und die Union will am Sondierungspapier „nicht mehr rütteln“.

 Wie tief stecken sie in der Klemme? SPD-Chef Martin Schulz und die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles werben an der Parteibasis für die große Koalition mit der Union – alles andere als ein Selbstläufer.

Wie tief stecken sie in der Klemme? SPD-Chef Martin Schulz und die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles werben an der Parteibasis für die große Koalition mit der Union – alles andere als ein Selbstläufer.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Die SPD-Linke kann sich bei ihrem Widerstand gegen eine neue große Koalition nicht auf die Gewerkschaften berufen. Mit klaren Aussagen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mischten sich der DGB und die wichtige IG Bergbau, Chemie, Energie am Montag in die Debatte ein. Forderungen aus der SPD, über Teile des Papiers nachzuverhandeln, wiesen CDU und CSU einmütig zurück.

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte am Montag, das Groko-Sondierungspapier enthalte „weit mehr Substanz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ als das Ergebnis der Jamaika-Verhandlungen. Hoffmann nannte unter anderem die Stabilisierung des Renten-Niveaus auf 48 Prozent, die Erhöhung der Erwerbsminderungsrente und die Rückkehr zur paritätischen Krankenversicherung. Der DGB-Chef appellierte an die Delegierten des SPD-Sonderparteitages am kommenden Sonntag in Bonn, den Weg für Koalitionsverhandlungen „nicht zu verschließen“. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (BCE), Michael Vassiliadis. „Das Sondierungspapier birgt elementare Verbesserungen für die Beschäftigten und die soziale Gerechtigkeit“, so der IG-BCE-Vorsitzende. Opposition sei „keine Reha“, in der man nötige programmatische Erneuerungen besser angehen könne. Von „positiven Einzelmaßnahmen aus Sicht der Beschäftigen“ sprach auch der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hoffmann. Er forderte jedoch Korrekturen in einigen Bereichen. Auch Verdi-Chef Frank Bsirske sprach von „spürbaren Vorteilen“ für Arbeitnehmer. Die Eindämmung prekärer Arbeitsverhältnisse und sachgrundloser Befristungen sowie die Stärkung der Tarifbindung müssten aber in den kommenden Verhandlungen noch „deutlich verbessert“ werden.

Im Gegensatz dazu lehnt ein Teil der SPD, angeführt von den Jungsozialisten und den Parteilinken, eine Groko strikt ab. Der Landesverband Thüringen hatte sich bereits vor den Sondierungen dagegen ausgesprochen, Sachsen-Anhalt tat es mit knapper 52 zu 51 Mehrheit am Wochenende. Gestern Abend sprach sich auch die Berliner SPD-Spitze mit 21 zu 8 Stimmen  gegen eine Groko aus. Die Sprecherin der Parteilinken, Hilde Mattheis, sagte, für einen Neuanfang sei „ein klares Nein“ nötig. Ein „Hin und Her von Nachverhandlungen“ werde nicht helfen.

Einige prominente Sozialdemokraten warben für Nachverhandlungen. Hingewiesen wurde aus diesem Kreis darauf, dass das Sondierungspapier an vielen Punkten Details noch nicht geregelt habe, so dass es für Koalitionsverhandlungen Spielräume gebe. Die stellvertretende Parteivorsitzende Malu Dreyer betonte, Sondierungen und Koalitionsverhandlungen seien unterschiedliche Paar Schuhe. Ihr Kollege Ralf Stegner meinte, die SPD sollte nur dann eine Koalition mit der Union bilden, wenn die grundlose Befristung von Arbeitsverträgen abgeschafft werde. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, bemängelte die Ergebnisse bei den Themen Wohnen, Zuwanderung und Integration. „Die Bürgerversicherung fehlt ganz. Viel zu tun also.“

Die Union lehnte Nachverhandlungen brüsk ab. „Man kann jetzt nicht hinterher das alles wieder in Frage stellen“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer vor einer CSU-Vorstandssitzung, auf der das Sondierungsergebnis einstimmig gebilligt wurde. Er hoffe, dass SPD-Chef Martin Schulz beim Parteitag Erfolg haben werde. Seehofer: „Wir wollen die große Koalition.“ Unions-Fraktionschef Volker Kauder betonte, an dem Verhandlungsergebnis gebe es „nichts mehr zu rütteln“. Zusätzlich angeheizt wurde die Debatte durch den Satz des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt, Schulz müsse den „Zwergenaufstand“ in seiner Partei in den Griff bekommen. Viele Sozial­demokraten reagierten außerordentlich empört. Aus der Union war die Sorge zu hören, dass die Stimmung in der SPD gegen die große Koalition kippen könne.

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