Krise in Frankreich Collombs Aussagen belasten Macron

Paris · Die Prügel-Affäre seines Leibwächters bringt Frankreichs Präsident Macron weiter in Nöte. Selbst der Innenminister verweist auf seinen Chef.

 Frankreichs Innenminister und „oberster Polizist“ Gérard Collomb wusste bei der Befragung des Untersuchungsausschusses erschreckend wenig über den prügelnden Bodyguard.

Frankreichs Innenminister und „oberster Polizist“ Gérard Collomb wusste bei der Befragung des Untersuchungsausschusses erschreckend wenig über den prügelnden Bodyguard.

Foto: dpa/Francois Mori

Der Saal 6242 im zweiten Untergeschoss der französischen Nationalversammlung war dicht besetzt, als gestern Morgen die Befragung von Innenminister Gérard Collomb begann. Nicht alle Abgeordneten des Untersuchungsausschusses hatten ein Mikrofon, um Collomb Fragen zu stellen. Dabei gab es vieles, was die Parlamentarier von dem 71-Jährigen wissen wollten, nachdem in der vergangenen Woche die Affäre um den inzwischen entlassenen Sicherheitsbeauftragten von Emmanuel Macron bekannt geworden war. Alexandre Benalla hatte bei der Pariser Mai-Kundgebung als Beobachter der Polizei auf eigene Faust auf einen Demonstranten eingeprügelt. Als oberster Polizist Frankreichs hätte Collomb eigentlich Antworten liefern müssen, wie so etwas passieren konnte. Doch der frühere Bürgermeister von Lyon besaß wenig Informationen über den früheren Bodyguard. „Ich habe ihn getroffen, aber ich wusste nicht, dass er Sicherheitsberater des Präsidenten war“, versicherte Collomb.

Der Ex-Sozialist belastete den Staatschef mit seinen Aussagen. Er habe am Nachmittag des 2. Mai von dem heiklen Video erfahren, das Benallas Ausschreitungen zeigt, sagte er. Er habe daraufhin das Präsidialamt über den Vorfall informiert. Als von dort die Ansage kam, dass Maßnahmen ergriffen würden, war die Sache für Collomb erst einmal erledigt. „Ich war der Ansicht, dass die gemeldeten Ereignisse auf der passenden Ebene behandelt wurden und habe mich deshalb nicht mehr um das Thema gekümmert.“

Dem Präsidenten, der zur Affäre Benalla seit vergangener Woche schweigt, tut Collomb damit keinen Gefallen. Die Linksaußen-Partei La France Insoumise fordert bereits, auch Macron vor dem Untersuchungsausschuss zu verhören. Der 40-Jährige versammelte am Wochenende seine wichtigsten Minister um sich, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Der Präsident verurteile das „schockierende und nicht hinnehmbare Verhalten“, ließ der Elysée hinterher mitteilen. Der Vorfall habe „Funktionsstörungen“ im Präsidentenpalast gezeigt, die nun mit Reformen behoben werden sollen. Ob und wann Macron sich zu dem Skandal äußern wird, ließen seine Mitarbeiter offen. „Nur er kann seinen Fehler reparieren“, sagte ein Minister der Zeitung „Opinion“. Eine Reise in die Pyrenäen, wo Macron sich morgen bei einer Etappe der Tour de France zeigen wollte, sagte der Elysée ab.

Auch die Nationalversammlung warf ihren Terminkalender um. Die Verfassungsreform, die die Parlamentskammer eigentlich bis zur Sommerpause beschäftigen sollte, wird auf den Herbst verschoben. Stattdessen wollen die Abgeordneten versuchen, die Ereignisse des 1. Mai aufzuklären. Nach Collomb befragte der Untersuchungsausschuss den Polizeipräfekten Michel Delpuech, der „verwerfliche Auswüchse aufgrund von ungesunder Vetternwirtschaft“ kritisierte. Auch Delpuech nannte den Elysée als Instanz, die über alles Bescheid wusste.

Dort genoss Benalla, der bereits während des Wahlkampfs Macrons Sicherheitsbeauftragter war, eine Sonderrolle. Der 26-Jährige ohne Polizeiausbildung war beim Urlaub des Präsidentenpaares ebenso dabei wie bei den offiziellen Auftritten des Staatschefs und fungierte dabei als Nebeninstanz zur Spezialtruppe der Polizei, die für die Bewachung des Staatschefs zuständig ist. Wohl deshalb fiel die Reaktion des Elysée auf das brutale Auftreten Benallas milde aus. Der Bodyguard wurde zwei Wochen vom Dienst suspendiert, ohne dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde. Das passierte erst, als „Le Monde“ den Fall vergangene Woche an die Öffentlichkeit brachte.

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