Bundestag Schäuble, die AfD und der Schatten von Chemnitz

Berlin · Zum Bundestags-Auftakt geht es erst mal um die Vorfälle in Sachsen. Mit Mahnungen – und Vorwürfen.

 Die Vorfälle in Chemnitz, die sich Ende August unter den Augen des steinernen Marx abspielten, beherrschen die politische Debatte.

Die Vorfälle in Chemnitz, die sich Ende August unter den Augen des steinernen Marx abspielten, beherrschen die politische Debatte.

Foto: picture alliance / Lars-Josef Klemmer/dpa Picture-Alliance / Lars-Josef Klemmer

Die AfD ging in die Offensive. Erst trat gestern Morgen die Fraktionsführung um Alexander Gauland und Alice Weidel vor die Presse, anschließend erhob Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann im Bundestag schwere Vorwürfe gegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Ereignisse in Chemnitz erhitzten zu Beginn der Haushaltswoche die Gemüter. Doch einer mahnte – wieder einmal Wolfgang Schäuble. Und das in alle politischen Richtungen.

Mit eindringlichen Worten eröffnete der Parlamentspräsident die erste Sitzung nach der Sommerpause. Mit Blick auf Chemnitz gelte es, zu unterscheiden „zwischen den unentschuldbaren Gewaltexzessen und den Sorgen, die viele Bürger umtreiben“. Vor drei Jahren, mahnte Schäuble weiter, habe er angesichts des großen Zustroms von Flüchtlingen von einem „Rendezvous mit der Globalisierung“ gesprochen. Erst jetzt sei erkennbar, „welche Auswirkungen das auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land hat“.

Schäuble, ein Vertrauter der Kanzlerin, hat die Flüchtlingspolitik Angela Merkels immer kritisch gesehen. Als er in der vergangenen Legislaturperiode noch Finanzminister war, forderte er mehr innenpolitische Maßnahmen zur Begrenzung der Einwanderung. Auch deutete der 75-Jährige an, Merkel habe wie eine „Skifahrerin eine Lawine“ ausgelöst. Dafür entschuldigte er sich später.

Im Bundestag erklärte Schäuble gestern: „Wir müssen bei der Durchsetzung des Rechts besser werden. Schnell, konsequent, sichtbar.“ Dafür gab es Applaus von allen Seiten. Genauso wie für die Aufforderung, dass es für Ausländerfeindlichkeit, Hitlergrüße, Nazisymbole und Angriffe auf jüdische Einrichtungen „weder Nachsicht noch verständnisvolle Verharmlosung“ geben dürfe. Zu oft würden überdies friedliche Demonstrationen von Gewalttätern als Schutzraum missbraucht. „Da gibt es zwischen gewalttätigen Chaoten bei Linksextremen und Nazi-Parolen bei Rechtsextremen keinen Unterschied.“

Zu guter Letzt ergänzte Schäuble: „Wir brauchen keine Revolution. Sondern einen starken und toleranten Rechtsstaat.“ Eine klare Absage war das in Richtung des AfD-Fraktionschefs Alexander Gauland, der jüngst in einem Interview eine „friedliche Revolution“ gefordert hatte gegen das „System Merkel“.

Die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz hatten auch zu einer Diskussion darüber geführt, ob Teile der AfD verfassungsfeindlich sind und die Partei gemeinsame Sache mit Rechtextremisten macht. Vor Beginn der Sitzung des Bundestages erklärte Gauland: „Ich sehe überhaupt nicht, dass die AfD nach rechts rückt.“ Er räumte aber ein: „Wir müssen aufpassen, dass sich nicht Leute anschließen, die wir in keiner Weise dabeihaben wollen.“ Er nannte Neonazis und Hooligans. Die Partei kündigte gestern an, sie wolle eine Strategie erarbeiten, um einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz abzuwehren.

Und dann erhob Parlamentsgeschäftsführer Baumann im Plenum seine schweren Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten. Der AfD-Politiker verlangte eine Extra-Debattenzeit über den Etat des Präsidialamts, was unüblich ist. Er wolle Steinmeiers Unterstützungsaufruf für das Chemnitzer Open-Air-Konzert gegen Fremdenhass diskutieren, begründete er. Denn der Bundespräsident habe durch „einseitige Parteinahme seine Neutralitätspflicht verletzt“, rief Baumann. Er zitierte gewaltverherrlichende Passagen aus Texten von Liedern, die auf der Veranstaltung gespielt worden seien. Der Parlamentsgeschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer (CDU), wies die Forderung der AfD zurück. „Sie können jederzeit das ansprechen, was sie wollen, dafür brauchen Sie keine geänderte Tagesordnung.“ Es gehe der Partei auch nicht um Aufklärung und Trauer, „sondern um die Spaltung der Gesellschaft“. Der AfD-Antrag wurde mit Mehrheit abgelehnt.

 Er mahnte: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

Er mahnte: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka
 Ihre Partei griff an: Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin.

Ihre Partei griff an: Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Grosse-Brömer war übrigens der einzige Redner der anderen Fraktionen zu diesem Punkt – so will man es bei Anträgen zur Geschäfts- oder zur Tagesordnung offenbar künftig immer halten, um die AfD nicht aufzuwerten.

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