Badeanzug für streng gläubige Muslima Burkinis im Schwimmunterricht erhitzen die Gemüter

Berlin · Familienministerin Giffey hält die islamische Badebekleidung für vertretbar. Kritiker warnen dagegen vor einer Diskriminierung muslimischer Mädchen.

 Der Burkini bedeckt nahezu den gesamten Körper und ist zudem besonders weit geschnitten.

Der Burkini bedeckt nahezu den gesamten Körper und ist zudem besonders weit geschnitten.

Foto: dpa/Rolf Haid

Die Debatte über Burkinis im Schwimmunterricht schlägt neue Wellen. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hält die muslimische Badebekleidung notfalls für vertretbar. Kritiker warnen dagegen vor einer Zementierung radikal-islamischer Einstellungen.

Auslöser der jüngsten Debatte ist die Entscheidung eines Gymnasiums im nordrhein-westfälischen Herne. Dort hatte man kürzlich 20 Burkinis angeschafft – damit keine Schülerin mehr eine Ausrede habe, nicht am Unterricht teilzunehmen, wie es von der Schulleitung zur Begründung hieß. Prompt warnte CDU-Vize Julia Klöckner vor falsch verstandener Toleranz: Die Schule zementiere damit ein „frauendiskriminierendes Rollenverständnis“. Ähnlich sah es gestern die Frauenrechtlerin Seyran Ates. Familienministerin Giffey indes warb für eine pragmatische Lösung. Sie befürworte das Tragen von Burkinis nicht, stellte die SPD-Politikerin auf Facebook klar. Man müsse aber dafür sorgen, „dass alle Kinder schwimmen lernen, egal welcher Herkunft sie sind und welche Religion sie haben“.

Burkini ist ein Kunstwort aus „Burka“ und „Bikini“. Bis auf das Gesicht bedeckt er nahezu den gesamten Körper und ist weit geschnitten, um weibliche Rundungen zu verbergen. Längst wurde das umstrittene Kleidungsstück auch schon juristisch vermessen. So urteilte das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 2003, dass muslimische Mädchen keinen Anspruch auf Befreiung vom Schwimmunterricht haben, wenn sie einen Burkini tragen können. Um ihre religiösen Gefühle zu wahren, sei ein Ganzkörperbadeanzug als Kompromiss angemessen, meinten die Richter damals. Im vergangenen Jahr hatte der Europäische Gerichtshof für Menschrechte diese Sichtweise bestätigt.

Nun herrscht in Deutschland Schulpflicht. Wer keinen triftigen Grund hat, sein Kinder vom Unterricht fern zu halten, und sei es auch nur in einem bestimmten Fach, der muss mit einem spürbaren Bußgeld oder sogar mit einer Freiheitsstrafe rechnen. In der Praxis läuft es aber anders, wie die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz erläuterte: Die Eltern seien sich der Schulpflicht in Deutschland durchaus bewusst. Um jedoch Geldbußen zu vermeiden, führten sie andere Gründe ins Feld: „Das Kind ist am fraglichen Tag krank, es hat ein ärztliches Attest, und vieles mehr.“ Auch Giffey sieht dieses Problem und zieht daraus den Schluss: Wenn Schulleiter vor Ort eine pragmatische Lösung fänden wie im Fall Herne, sei das zwar nicht optimal. „Aber ich finde nicht, dass sich Bundespolitiker darüber erheben sollten.“

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hat Bedenken: „Integration funktioniert sicher am besten, wenn es keine Extrawürste gibt“, erklärte er. Die Gefahr, dass sich nicht muslimische Mitschüler über den Burkini lustig machten, sei groß. Auch könne die Zulassung des Burkinis den Konflikt in Schulen noch verstärken, „weil manche Eltern dann nach dem Motto ‚Wer ist der bessere Muslim?‘ unter Rechtfertigungszwang stehen, warum sie ihre Kinder nicht im Burkini zum Schwimmunterricht schicken“. Insofern, so Maidinger, solle jede Schule selbst entscheiden, was in ihrer jeweils konkreten Situation das Richtige ist. „Im Zweifel ist es aber sicher wichtiger, dass auch muslimische Mädchen und Frauen schwimmen lernen“, sagte Meidinger.

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