Polit-Krise nach Jamaika-Aus Bundespräsident drängt Parteien zu Regierungsbildung ohne Neuwahl

Berlin · Der Abbruch der Jamaika-Gespräche durch die FDP hat eine tiefe politische Krise ausgelöst. Die SPD schließt eine große Koalition weiter aus. Angela Merkel will bei einer Neuwahl wieder antreten.

 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach gestern in seinem Amtsitz den Parteien ins Gewissen und macht deutlich, dass er nicht für schnelle Neuwahlen ist. Er kündigte Gespräche mit mehreren Parteien an.  

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach gestern in seinem Amtsitz den Parteien ins Gewissen und macht deutlich, dass er nicht für schnelle Neuwahlen ist. Er kündigte Gespräche mit mehreren Parteien an.  

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

(dpa/SZ) Nach dem spektakulären Scheitern der Jamaika-Sondierungen in der Nacht zu gestern ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in eine zentrale Rolle für die Bildung einer neuen Bundesregierung und die Frage von Neuwahlen gerückt. Der Präsident sprach sich gestern gegen schnelle Neuwahlen aus. Die Verantwortung für die Bundesepublik können man „nach der Vorstellung des Grundgesetzes nicht einfach an die Wählerinnen und Wähler zurückgeben“. Sein deutlicher Hinweis, dass er auch von der SPD erwarte, sich Verhandlungen nicht zu entziehen, blieb bei den Sozialdemokraten gestern unerhört. Der SPD-Vorstand lehnte es nach dem überraschenden Ausstieg der FDP aus den Sondierungsgesprächen mit Union und Grünen einstimmig ab, von der Absage an die Bildung einer erneuten großen Koalition abzurücken, und forderte Neuwahlen.

Diese würden nach den aktuellen Deutschlandtrend der ARD 63 Prozent der Wähler einer möglichen Minderheitsregierung vorziehen. 44 Prozent raten der SPD, mit der Union eine Regierung zu bilden, 50 Prozent unterstützen ihre Absage an eine neue große Koalition.

Bei Neuwahlen würde für die Union erneut  Kanzlerin Angela Merkel antreten, sagte sie der ARD. Eine Minderheitsregierung, „die von Stimmen aus der AfD abhängig wäre“, schloss sie aus.

Die FDP hatte die Jamaika-Sondierungen mit Union und Grünen am Sonntagabend überraschend abgebrochen und Merkel damit in die schwerste Krise ihrer zwölfjährigen Amtszeit gestürzt. Diese ließ erkennen, dass die Frage einer großen Koalition für sie noch nicht ganz abgehakt ist. Ob sie auf die SPD noch einmal zugehen werde, hänge von dem Ergebnis der geplanten Gespräche zwischen Steinmeier und der SPD ab. „Ich bin zu Gesprächen natürlich bereit“, betonte sie. Merkel schloss  auch nicht aus, nochmals mit der FDP ins Gespräch zu kommen. Die Grünen zeigten sich weiter offen für Verhandlungen. Merkel hatte Steinmeier gestern Mittag getroffen, um über die schwierige Situation zu reden. Der Bundespräsident muss dem Bundestag im ersten Wahlgang einen Kandidaten für die Kanzlerwahl vorschlagen. Neuwahlen kann es erst geben, wenn dieser oder ein anderer Kandidat auch im dritten Wahlgang nur eine einfache Mehrheit erhält. Dann hat der Präsident die Wahl, den Bewerber  mit den meisten Stimmen zum Kanzler zu ernennen oder Neuwahlen auszurufen. Sie müssten dann innerhalb von 60 Tagen stattfinden.

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) lobte in einem SZ-Interview die  Rede des Bundespräsidenten: „Die SPD sollte in sich gehen.“

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